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Peeping Tom

Mit der Lochkamera: Die Galerie Jarmuschek + Partner zeigt Fotoapparate, belichtet von Susanne Zouyène

„Fotographie“ ist die Ausstellung von Susanne Zouyène auf der Einladung falsch und richtig betitelt. Weder den alten noch den neuen Regeln der Rechtschreibung entsprechend, weist die formale Zwittrigkeit auf den Bogen hin, den Zouyène zwischen dem schnörkelig wirkenden „ph“ vergangener Zeiten zum nüchternen „f“ der Gegenwart schlägt.

Im Mittelpunkt steht die Serie „Portraits“, die in zwei Tableaus von jeweils zwölf Fotografien präsentiert wird. Gegenstand der Bildnisse sind samt und sonders industriell hergestellte Fotoapparate, aufgenommen mit einer selbst gebauten Lochkamera. Bereits Leonardo da Vinci nutzte eine solche Camera Obscura, bei der die durch eine Lochblende einfallenden Lichtstrahlen auf der Rückseite eine Kopf stehende Abbildung erzeugen. Hier lichtet der Urapparat seine Nachkommen als selbstbewusste Sehmaschinen ab.

Fast scheinen die Kameras sich im Glanz ihres technischen Könnens zu sonnen, sind mal „en face“, mal im Profil gezeigt oder werfen dramatische Schatten – seitenverkehrt und im Kontrast eines Negativs. Die Fotoapparate, deren Automatik in den Augen Zouyènes nur das Abspulen vorprogrammierter Einstellungen zulässt und somit den künstlerischen Anteil am Bild in Frage stellt, erscheinen als Objekt. Und als wolle sich die Künstlerin von den Fertigkeiten der „Porträtierten“ distanzieren, ist ihr Bild im Gegensatz zur Reproduzierbarkeit herkömmlicher Fotografien ein Unikat.

Es ist die Frage nach dem Abbild vom Gesehenen, mit der die Galerie Jarmuschek + Partner ihre diesjährigen Aktivitäten unter das Motto „Repro-Realismus“ stellt. Nach der Malerei wird mit der Ausstellung der 1964 geborenen und in Berlin lebenden Zouyène die Fotografie in das Spannungsfeld einbezogen.

In der zweiten Serie „Landschaften“ versucht Zouyène, wiederum mittels einer Lochkamera, das Konstante und Überzeitliche von momentaner Bewegung durch Verschlusszeiten von etwa einer Stunde voneinander zu scheiden. Auf einem Foto heben Wellenhöhen und -tiefen einander auf und gefrieren zu einer glatten, glänzenden Wasseroberfläche; von den vorübereilenden Menschen bleiben nur schemenhafte Streifen auf dem Fotopapier übrig.

„Jagdbeute“, ihre dritte Serie, steht im formalen Kontrast zu den beiden anderen. Durch sehr kurze Belichtungszeiten hat Zouyène die mit dem bloßen Auge nicht isolierbaren Bilder aus dem Strom der Fernsehbilder auf Filmmaterial fixiert. Aus dem fortwährenden Bildaufbau sind ihre Bilder jeweils ein diagonal verlaufender Ausschnitt aus der Dichte des Screens. Die „erlegten“ Motive wie Gesichter oder Greifvögel rekurrieren etwas vordergründig auf den Titel.

Freilich, auch bei diesen Extremen des Belichtungsspektrums wird sichtbar, was Photographie oder Fotografie immer schon innewohnte: nicht Realität, sondern von einem Gegenstand mit seinen verborgenen Nuancen ein Bild zu zeigen.

MICHAEL KASISKE

Bis 23. September, Mi. – Sa. 14 – 19 Uhr, Galerie Jarmuschek + Partner, Sophienstraße 18

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