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Neue Bibel für Umweltschutz

Trittin legt Gesetzentwurf zu mehr Umweltschutz vor und stößt auf heftige Kritik bei Wirtschafts- und Umweltverbänden. Regierung muss EU-Richtlinien umsetzen

BERLIN taz ■ Investoren, die zukünftig eine Industrieanlage oder einen Schweinestall bauen wollen, werden sich voraussichtlich mehr als zuvor mit Umweltschutz beschäftigen müssen. Nach einem umfassenden Gesetzentwurf von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) werden mehr Anlagen als bisher einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen. Außerdem werden Grenzwerte gesenkt, mehr Behörden bei der Zulassung von Anlagen beteiligt, und der Abfallvermeidung wird Vorrang vor Verwertung gegeben. Bei den Anlagen soll nun auch nicht nur auf Energieeffizienz geachtet werden, sondern gleich auch auf einen sparsamen Ressourceneinsatz. „Da wird die Bibel für den Umweltschutz neu geschrieben“, sagte Anja Köhne vom Deutschen Naturschutzring.

Bis zum vergangenen Dienstagabend diskutierten in Bonn über einhundert Verbände in einer Anhörung den Entwurf. Die darin vorgeschlagenen Änderungen, zusammgefasst in einem so genannten Artikelgesetz, sind notwendig, um EU-Richtlinien in nationales Recht umzuwandeln. Bei der Umwandlung ist die deutsche Regierung in argen Verzug gekommen – die Richtlinien hätten bis spätestens Ende letzten Jahres umgesetzt werden müssen. Noch im Herbst soll der Entwurf dem Kabinett vorgelegt werden.

Die trockenen Paragrafen der UVP-Änderungsrichtlinie und der Richtlinie zur „Integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ (IVU) sorgen für Diskussionen. So befürchtet der Deutsche Bauernverband, dass mehr Anlagen zu Massentierhaltungen geprüft werden könnten und Landwirte deswegen aus Kostengründen gezwungen sein werden, von solchen Vorhaben abzurücken. Es dürfe nicht zu einer „willkürlichen Anwendung der EU-Richtlinien [...] auf Grund öffentlichen Widerstandes“ kommen, schreibt der Generalsekretär des Verbandes, Helmut Born, an den Staatssekretär im Umweltministerium, Rainer Baake. In den Richtlinien müssten Kriterien, welche Anlagen nun zusätzlich geprüft würden, wesentlich genauer konkretisiert werden.

Die Umweltschutzverbände begrüßen zwar, dass mehr Prüfungen durchgeführt werden, bemängelten allerdings andere Punkte des Entwurfs. „Wir halten die EU-Richtlinie durch dieses Artikelgesetz für nicht umfassend umgesetzt“, sagte Köhne. Der Schutz Dritter vor negativen Auswirkungen neuer Anlagen, ob Industrie oder Landwirtschaft, ist nach Ansicht der Umweltschützer nicht ausreichend gewährleistet.

Im Ministerium sieht man sich nun vor der Aufgabe, die zahlreichen Stellungnahmen der Verbände zu bewerten. Dem Vorwurf der Wirtschaftsverbände, völlig überzogene Anforderungen formuliert zu haben, steht ein Sprecher des BMU gelassen gegenüber. „Im Wesentlichen ist umgesetzt worden, was die EU-Richtlinien vorschreiben“, sagte er. Vom Wirtschaftsministerium gibt es nach Auskunft eines Sprechers gegenüber der taz bislang keine endgültige Zustimmung.

MAIKE RADEMAKER

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