: Service à la CDU: Für jeden Spender eine Kasse
Die hessische CDU übte sich in Dienstleistung besonderer Art: Ihr Spendengeschäft wickelte sie über mindestens drei Kassen ab
FRANKFURT/MAIN taz ■ Der gemeinnützige Verein „Hessische Akademie für politische Bildung“ residiert mit Büro, Briefkasten und Klingel in der CDU-Parteizentrale in der Frankfurter Straße in Wiesbaden. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch erklärte am Samstagabend, das von dem Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) dorthin transferierte Geld sei ausschließlich zweckgebunden verwandt worden. Er selbst habe den Spendern vorgeschlagen, die Akadamie bei ihrer „staatsbürgerlichen Arbeit“ zu unterstützen. Alles andere sei „ein Medienspektakel“. Einen bei der CDU beschlagnahmten Zettel mit dem handschriftlichen Vermerk über den Zahlungseingang von 370.000 Mark „Summe netto an CDU“ erklärte er als vermutlichen Hinweis darauf, dass da die Mehrwertsteuer gemeint gewesen sei.
Das war’s aber noch nicht: Die inzwischen bekannt gewordenen millionenhohen Scherflein des Verbandes der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen und der Hessen Metall – ausgerechnet zu Wahlkampfzeiten – werden in einer separaten hessischen Schwarzkasse vermutet. Auf die „Spendenkasse CDU Hessen“ stießen die Wiesbadener Ermittler bei einer Durchsuchung der CDU-Zentrale im Januar dieses Jahres.
Den Transfer des Geldes in die Kasse soll der damalige Wirtschaftsbeauftragte der CDU, Joachim Lehmann, nach Absprache mit dem Bankier und HDI-Berater Paul Wienandt gefingert haben: Er soll den Wirtschafts- und Industrievertretern den Umweg über die Konten der Akademie vorgeschlagen haben. Lehmann war, praktischerweise, zugleich Schatzmeister des Stiftungsvereins. Und dorthin kamen auch die Spenden des Süßwarenherstellers Ferrero und Beträge, die Prinz Wittgenstein der Landespartei von den Schwarzkonten in der Schweiz zukommen ließ. Der stellvertretende Landesgeschäftsführer Helmut Hehn gestand ein, dass das Kassenbuch von 1997 bis 1999 erst im Februar 2000 „nachgefertigt“ worden sei. Das echte ist verschwunden. Eine Buchhalterin hatte es nach einer Durchsuchung in einem Anfall von Panik vernichtet.
Ein bisher ungenannter „hochrangiger Parteifunktionär“ machte inzwischen öffentlich, dass das Geld kontinuierlich in – nach dem Parteiengesetz nicht anzeigepflichtige – Kleinbeträge aufgeteilt und umdatiert worden sei. Sowohl befreundete Firmen als auch Parteimitglieder hätten sich selbst als Spender ausgegeben und dafür Quittungen erhalten. Zudem zitiert der Hessische Rundfunk einen in die Ermittlungen involvierten Juristen, der bestätigt habe, dass auch während Kochs Amtszeit massiv gegen das Parteiengesetz verstoßen wurde. Und seit gestern ist eine dritte Kasse im Gespräch, aus der die laufenden Ausgaben bestritten worden sein sollen, kurz „SK“, Sonderkasse, genannt. Ein freier Mitarbeiter bestätigte dem HR, er habe einmal den doppelten Betrag seines Honorars quittiert. Ein Imbissbudenbesitzer sei bereit gewesen, einen Beleg über überhöhte Bewirtungskosten auszustellen. Kleinvieh macht auch Mist. HEIDE PLATEN
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