piwik no script img

Der Mullah von Bullerbü

von WIGLAF DROSTE und GERHARD HENSCHEL

Was bisher geschah: Weil Kommissarin Gisela Güzel ermittelt, ist der Wäschehändler Bernd Fritz nach Kabul geflohen . . .

Bernd Fritz drückte sich in der No-go-Area von Kabul herum. Er hatte sich einen langen Bart angeklebt und einen Sack Wäsche geschultert. Mehr hatte er bei seiner Flucht nicht retten können.

„Kss, kss, kss“, machte Fritz. „Sexy Slips! Kss, kss!“ Aber auf der menschenleeren Straße reagierte niemand.

Die fetten Jahre sind vorüber, grübelte er betrübt. Was war das nur für ein Land? Die Frauen liefen in Kartoffelsäcken mit vergitterten Sichtschlitzen herum, und die Männer trugen noch dickere Kopfwindeln und noch dichtere Gesichtspelze als irgendwo sonst in der islamischen Welt. Hier in Kabul schien es nicht einmal ein Vergnügungsviertel zu geben, nur heiße Luft und Hass. Alle paar Minuten waren Maschinengewehrsalven zu hören, und auf den Ruinenzinnen standen Muezzins und schrien um die Wette.

Fritz seufzte. Sehnsüchtig dachte er an das flotte Leben im Irak zurück. Weiber, Wurst und Wasserpfeifen! Alles Schöne hatte Gisela Güzel ihm weggenommen.

Und jetzt Kabul. Konnte er noch tiefer sinken?

Ein Pritschenwagen, randvoll mit bewaffneter Kundschaft, brauste heran und bremste scharf. Mehrere Männer sprangen mit Gebrüll von der Ladefläche und umzingelten den Wäschehändler.

Die haben’s wohl nötig, dachte Fritz und freute sich auf den Profit. Aber diesmal hatte er sich verkalkuliert. Er war an eine Patrouille der Sittenpolizei geraten.

„Kss, kss, kss“, zischelte er noch ein letztes Mal, und dann wurde ihm von einem Milizsoldaten das Gebiss mit dem stumpfen Ende eines Karabiners umgerührt.

„Kff, kff, kff“, machte Bernd Fritz und spuckte seine Zischlautzähne aus. „Feckfy Flipf!“ Man schüttelte ihn. Aus den Schößen seiner Dschellah rieselten Duftslips auf den gestampften Lehmboden. Die Taliban spießten die Unterbuxen mit Bajonetten auf und freuten sich wie die Schneekönige. Mindestens zwanzig Höschen! Es war ein guter Tag für das Eingreifkommando aus dem Ministerium zur Unterdrückung des Lasters. Für Bernd Fritz war der Tag nicht so gut gelaufen. Maulend ließ er sich verhaften und verfluchte innerlich die Stunde, in der Gisela Güzel geboren worden war, die ausgekochte Kripohexe.

Die Revolutionswächter warfen ihn auf den Wagen und fuhren eilig weiter. Sie hatten noch etwas zu erledigen: Auf dem Friedhof mussten dringend Leichen verprügelt werden.

Bernd Fritz war bass erstaunt, als er sah, was auf dem Friedhof vor sich ging. Ein paar Dutzend Milizionäre wühlten wie verrückt mit Schaufeln in der Krume, rissen Tote aus Brettersärgen heraus und hielten Zollstöcke an die Bärte. Waren sie zu kurz, setzte es was. Wenn es ans Bestrafen ging, war den Revolutionshütern jedes Instrument recht: Kartoffelstampfer, Ochsenziemer, Feuerpatschen, nasse Aufnehmer oder Nudelhölzer. Hauptsache, es knallte. Ein besonders pingeliger Muslim zückte sein Schweizermesser, klappte den Dosenöffner heraus und knackte Urnen. Lagen keine Barthaare darin, vermöbelte er die Asche. Glattrasierte Leichen wurden zerstückelt und aufgegessen. „Yamyam!“, riefen die gläubischen Hungerleider und rieben sich ihre Bäuche. „Rache machen! Alle mal lachen!“

Andere Länder, andere Sitten, dachte Bernd Fritz. Jedem Tierchen sein Pläsierchen! Vielleicht sollte er von Slips auf Peitschen, Schlagstöcke und Zickzack-Zyllis umsatteln. Damit ließe sich hier sicherlich ein Vermögen machen.

Fortsetzung morgen

Vorabdruck aus Droste/Henschel: „Der Mullah von Bullerbü“. Edition Nautilus, Hamburg 2000

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen