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■ H.G. HolleinAuswahl

Die Frau, mit der ich lebe, hat einen wählerischen Gaumen. Nur hält ihr Artikulationswille nicht immer mit ihrem Appetit Schritt. Vor jedem Einkaufsgang werde ich beschieden, doch „mal was Leckeres“ mitzubringen. Auf meine Frage „Was denn?“ antwortet die Gefährtin aber stets nur schelmisch mit „Ach, irgendwas eben.“ So kryptisch instruiert kann ich nur scheitern. Bringe ich ein leckeres Ende Landleberwurst, war es mit Sicherheit Teewurst, wonach es die Sonne meiner trüben Tage insgeheim gelüs-tete. Natürlich heißt es dann ob so grober Verkennung ihres wahren Ichs sofort: „Du liebst mich eben nicht mehr!“ Das lasse ich denn doch nicht auf mir sitzen und zücke umgehend ein Töpfchen roten Heringssalat und ein Glas Spreewälder Gurken. Dann verklärt sich der Gefährtin Antlitz kurz, bis ihr – nicht ganz unzutreffend – auffällt: „Teewurst ist das aber nicht gerade.“ Immerhin: Die fortgeschrittene Morgenstunde zwingt es rein. Ein Folgeproblem liegt allerdings in der Gefährtin tiefsitzender Abneigung gegen alles Gestrige. Vom Heringssalat wird nur genippt, und auch der Gurken muntere Resteschar darf ich mir allein zu Munde führen. Ich tue das auch klaglos, selbst wenn die Gefährtin nicht müde wird, mich besorgt vor den Gefahren des Verzehrs überalterter Lebensmittel zu warnen. So weist mein Speiseplan wohl eine große Vielfalt auf, wenn auch selten Frisches. Einmal war ich so pfiffig, 50 Gramm neu erstandenes Kassler mit vier verbliebenen Scheiben auf 100 Gramm zu strecken. Nochmal mache ich das nicht. Ich ziehe lieber täglich aufs Neue los und nerve Verkäufer und Verkäuferinnen, indem ich nonchalant auf Portionen nahe dem Minusbereich bestehe. Die Katze, die mich duldet, ist übrigens von gleicher Art wie die Gefährtin. Ich werde daher den Eindruck nicht ganz los, dass mich die beiden für einen halten, den man getrost beliebig springen lassen kann.

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