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Theologischer Streit am Gendarmenmarkt

Vor dem Kirchentag 2003 versuchen Oberhirten und Theologen trotz der Erklärung des Vatikans die Ökumene zu retten

Ein ökumenischer Kirchentag in weniger als drei Jahren im „gottlosen Berlin“, in dieser säkularen Stadt? Wen interessiert hier überhaupt Kirche und wen die Ökumene? Offenbar doch einige. Davon konnte sich überzeugen, wer am Montagabend seinen Weg in den „Französischen Dom“ am Gendarmenmarkt fand: Denn hier stritten sich hochkarätige Geistliche und Theologen über ein Schreiben aus Rom von nur einer Druckseite Länge – und ein paar hundert Zuhörer im vollen Kirchenraum hatten offensichtlich Freude daran, sich ganz tief in die Wissenschaft vom christlichen Glauben hineinzudenken.

Es ging um das umstrittene Papier der katholischen Glaubenskongregation „Dominus Iesus“. Das Papier, unterschrieben vom konservativen Kardinal Joseph Ratzinger, hatte zu einem Aufschrei vor allem unter Protestanten geführt. Denn der nach dem Papst wohl wichtigste Mann im Vatikan hatte den protestantischen Kirchen in der Erklärung ins Stammbuch geschrieben: Kirchen seien sie, nach katholischem Verständnis, nicht.

Auf dem Diskussionabend, organisiert von der Evangelischen Akademie, rangen unter anderem der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky, Bischof Wolfgang Huber von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, der Erfurter katholische Bischof Joachim Wanke sowie die beiden evangelischen Theologieprofessoren Eberhard Jüngel und Christoph Markschies mit dem Wort Ratzingers – und kamen zum Ergebnis: Trotz aller „Irritationen“ oder „Trauer“, die das katholische Schreiben ausgelöst habe, könne es dennoch zu einer Klärung dessen führen, was die Konfessionen noch trenne. Manche theologischen Gräben, die um der Ökumene willen verdrängt worden seien, stünden nun wieder klar vor Augen.

Wie ein klärendes Gewitter habe das Schreiben die noch offenen Fragen in der Ökumene offen gelegt, so zeichnete sich in der Diskussion als Konsens unter Theologen und Hirten ab. Und in Sachen Ökumene und ökumenischer Kirchentag in Berlin brachte Bischof Wanke die Stimmung vor dem Schlussgebet so auf den Punkt: „Jetzt erst recht.“ PHILIPP GESSLER

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