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■ H.G. HolleinSchongang

Die Frau, mit der ich lebe, hat ein Fahrrad. Das ist empfindlich. Und da die Gefährtin fürsorglich ist, setzt sie ihr Pedalomobil den Unbilden der Witterung nur mit größtem Zögern und nicht ohne vernehmliches Zagen aus. Regen etwa bekommt ihrem Rädel gar nicht. Da wird es nämlich nass. Die Gefährtin natürlich auch, weshalb sie für das Zurücklegen unaufschiebbarer Wege einen Chauffeur braucht. In solchen Fällen komme ich ihr gerade recht. Sollte die Wetterprognose einmal günstig ausfallen, die Benutzung des Rades mithin argumentativ nur schwer abzuwenden sein, hat die Gefährtin nicht selten am Vorabend eine bedenkliche Schwäche in der Pneumatik ihres Gefährtes feststellen müssen. Erkühne ich mich dann zu dem Hinweis, wir seien durchaus im Besitz der einen oder anderen Luftpumpe, reagiert die Gefährtin mit einem waidwunden Blick und einem ersterbend gehauchten „Moi?“, bevor sie wieder elegisch in ihre Kissen zurücksinkt. Für größere Reparaturen greift die Gefährtin aber durchaus selbst zum Telefon und lässt den Fahrraddoktor kommen. Das sei diskreter, als mit einer erloschenen Birne oder einer verknoteten Kabelage ein Fachgeschäft aufzusuchen. Außerdem – da denkt die Gefährtin an mich – erspart es das Vorhalten eines umfangreichen Ersatzteil- und Werkzeugbestandes. Das Wort „Materialschonung“ hat in diesem Zusammenhang einen nachhaltigen Eindruck bei der Gefährtin hinterlassen. Jeder Tritt in die Pedale, das sieht sie ganz richtig, verkürzt die Lebenszeit ihres treuen Untersatzes. Deshalb meidet sie auch berganführende Strecken, unebene Untergründe und Fahrziele, die weiter als zwei Kilometer entfernt liegen. Angesichts des herannahenden Winters hat die Gefährtin – wie jedes Jahr – denn auch frühzeitig damit begonnen, sich mental auf einen resignativen Verzicht einzustellen und die Benutzung ihres Rades langsam abzusetzen. Ich finde das gar nicht so verkehrt. Macht es mich für ihr Fortkommen doch geradezu unentbehrlich.

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