piwik no script img

Deichgraf

„In der City stehen Betonblocks. Wir atmen Smog ein.“ Hätten Sie's gewußt? Hamburg ist „Smogcity“. Oder sprechen Malte, Buddy und Philipp von ihrer Stadt? In der Ost-Metropole Bergedorf nämlich ist die Luft, so scheint es, stickiger als in der für ihre frische Brise bekannten Hansestadt. Das mag an den turmhohen Deichen liegen, die Bergedorf und seinem Pop-Export den Namen gegeben haben. Der Vorort, das eingerahmte Ghetto, oder was weiß ich. Wir befinden uns schließlich im HipHop, der freien Krabbelgruppe für Vergleiche und Metaphern.

Lange amerikanische Jahre konnte man die gemütlich ausblenden, freute sich dann entsprechend über die TripHop geschimpfte Instrumental-Variante – und nun das. Deutsche Sprache im Überfluss. Tra-Di-Dum, wer nichts sagt, bleibt stumm. Dabei dreht sich fast alles um Alster und Elbe, und das dürfte auch uns Ortwin zum zufriedenen Kopfnicker machen – tatsächlich begrüßte der Bürgermeister gerade den Bau der Volkspark-Arena: „Damit, da schlägt der Lokalpatriot durch, Deichgraf aus Bergedorf auch seinen Ruhm massenweise via Hamburg einfahren kann.“.

Hier sind die Macher und hier sind die Schnacker, die schon qua Masse festgeschrieben haben, dass Norddeutsch zu HipHop gehört wie Arsch auf Eimer, denn beides ist breit und vor allem lässig, respektive cool. Dass das man klor ist. Und für Zeilen wie: „Wir machen Evergreens, die wie Schlepper ziehen“ haben Deichkind durchaus ein Denkmal am Fischmarkt verdient.

Repräsentieren heißt sich wiedererkennen, also wird „Nordisch by Nature“ und aus vollen Rohren Lokalpatriotismus zelebriert. Dass die musikalische Basis voll auf der Höhe ist, müsste nicht erwähnt werden, wird es aber: „Wir machen Beats wie Dr. Dre und das auch noch mit blonden Haaren, rauchen Gras und trinken Gin, obwohl wir nie in Compton waren“. Nachzulesen ist das im Booklet von Deichkinds Erstling Bitte Ziehen Sie Durch – sieben eng bedruckte Seiten. Soviel Text, dass irgendwann die Synapsen klingeln und der Wunsch, die Stimme auszublenden, stärker wird als die Hoffnung, vielleicht komme doch nochmal ein guter Reim. Gerade in solchen Situationen heißt es dann auch noch „Meine Raps sind heißer als in der Sauna 'n Daunenschlafsack und deine kälter als Emanzen auf'm Frauenparkplatz.“ Auch hier bei uns im Norden können halt nicht alle mitrepräsentiert werden.

Holger in't Veld

mit Gästen, Sonnabend, 21 Uhr, Große Freiheit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen