piwik no script img

Daumenschrauben

Der Wissenschaftsrat übt deutliche Kritik an den Berliner Hochschulen: mangelnde Kooperation und Abstimmung

Berlin hat mit drei Universitäten, vier Kunsthochschulen und acht Fachhochschulen eine in Europa einzigartige Hochschullandschaft. Mehr als 50.000 Beschäftigte arbeiten in den öffentlich geförderten Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Doch mittlerweile ist das aus der früheren Spaltung Deutschlands überkommene Erbe zu einer kaum noch zu finanzierenden Last geworden.

In der Vergangenheit rollte deshalb eine kurzatmige Sparwelle nach der anderen über die Hochschulen hinweg. Um den Universitäten ein Mindestmaß an Planungssicherheit zu geben, schloss das Land Berlin 1997 und 1999 Hochschulverträge ab, die mehr oder weniger nach einem einheitlichen Muster gestrickt waren: finanzielle Garantien gegen Reformbereitschaft. Gleichzeitig sahen die Verträge vor, dass die Strukturpläne der Hochschulen von einer auswärtigen Gutachterkommission bewertet werden sollten. Diese Aufgabe übernahm der Wissenschaftsrat, das hierzulande einflussreichste Beratergremium für die Wissenschaft.

Die 171 Seiten umfassende Studie ist ein fein austariertes Konstrukt von Forderungen an das Land wie auch an die Universitäten. An das Land ergeht die Forderung, die Zahl von 85.000 ausfinanzierten Studienplätzen auf keinen Fall zu unterschreiten. Bisher hatten die Landespolitiker die kontinuierliche Verringerung der Studienplätze um rund 30 Prozent als bequeme Sparquelle betrachtet. Gleichzeitig soll das Land dafür sorgen, dass mehr Studienanfänger sich für Fachhochschulen entscheiden.

Das 32-köpfige Beratergremium fordert das Land ebenfalls auf, einen Landeshochschulrat einzurichten. Er soll frei von Politikern sein und die Politik bei der Lenkung der Hochschulen unterstützen sowie zu Fragen rund um die Finanzierung einzelner oder mehrerer Hochschulen Stellung nehmen. Solch ein Gremium kostet das Land im Grunde wenig; es ist billig, weil die Stellungnahmen des Landeshochschulrates rechtlich nicht bindend wären. Wirklich unangenehm ist dagegen die Forderung, einen jährlichen Landesanteil in Höhe von 250 Millionen Mark für den Ausbau der Hochschulen trotz aller Sparzwänge aufzubringen.

Insgesamt härter trifft es die Universitäten und Fachhochschulen. Ihnen bescheinigt der Wissenschaftsrat „Kooperationsunfähigkeit“. Die Berater verlangen von den Einrichtungen, sich als „zusammenhängende Hochschulsysteme“ zu betrachten und „unnötige Doppelungen“ zur „Verminderung eines lokalen oder regionalen Wettbewerbs“ abzubauen.

Das Gremium empfiehlt Daumenschrauben, vornehmer: „externe Steuerungsinstrumente“. Darüber hinaus erkennt der Wissenschaftsrat „Optimierungsbedarf bei der Profil- und Schwerpunktbildung wie auch bei Kooperation und Abstimmung, von dem streng genommen keines der eingehender betrachteten Fachgebiete ausgenommen ist.“

TILMAN VON ROHDEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen