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Goldherbst im Museum

Das Museum für Ostasiatische Kunst in Dahlem ist nach der Sanierung wieder eröffnet. Unter Kennern genießt die Sammlung weltweit einen exzellenten Ruf. Aber auch normale Besucher versetzt der Glanz von Lack und Gold in märchenhafte Aufregung

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Eine Wildgans reckt den Hals und ruft ihre Freunde. Hokusai, der mit seinen Holzschnitten zu den bekanntesten Künstlern Japans gehört, hat diesen Gruß an den Herbst 1847 auf Seide gemalt. Weil die Kunstsammlungen Japans noch immer dem Rhythmus der Jahreszeiten folgen, habe er dieses Bild für die Wiedereröffnung des Ostasiatischen Museums ausgesucht, erzählt Klaus F. Naumann, der dreißig Jahre lang in Tokio als Kunsthändler lebte und nun seine Sammlung dem Berliner Museum geliehen hat. Dann führt er, unerschrocken über ihr Unwissen, Berliner Journalisten durch das neu gestaltete Haus und weist sie auf Stücke von Weltruhm hin.

Man muss es uns erklären. Wir wissen es nicht. Denn obwohl Berlin das älteste Museum für Ostasiatische Kunst in Deutschland besitzt, gehört ihre Kenntnis kaum zur Allgemeinbildung. Der Glanz von Lack und Gold versetzt uns in märchenhafte Aufregung. Wir begegnen Drachen, Tigern und dem Pilgerzug des Prinzen Genji über die goldunterlegten Seiten eines Wandschirms wie Fabelwesen eines fremden Reiches.

In Hongkong erscheint die Zeitschrift Orientations, das wichtigste Fachorgan der Kunstgeschichte Ostasiens. Der Wiedereröffnung des Berliner Museums haben sie eine Sondernummer gewidmet. Willibald Veit, der heutige Direktor, rekapituliert da noch einmal die Geschichte der 1906 gegründeten Sammlung, die „aus der Erkenntnis der Ebenbürtigkeit ostasiatischer und europäischer Kunst“ hervorging und durch das gute Verhältnis zwischen Japan und Deutschland in den dreißiger Jahren prosperierte.

Doch wie ein Kaiser im Exil kann Veit von den Erwerbungen und Schenkungen der Vorkriegszeit nie ohne Verbitterung reden, weil 90 Prozent des Bestandes nach Kriegsende von einer Trophäenkommission der sowjetischen Armee mitgenommen wurden. Erst eine Woche vor der Wiederöffnung gelang es Klaus-Dieter Lehmann, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in den Petersburger Archiven einen Blick auf jene Beute zu werfen, die fast ungenutzt in ihren alten Transportkisten ruht. Das ist eine Sensation, deren Tragweite Lehmann vorsichtig umschreibt: „Wir haben Hoffnung, die Schätze zurückzugewinnen.“

Doch vorläufig steht die seit den 50er-Jahren neu aufgebaute Sammlung im Mittelpunkt. Der Neubau, in dem sie seit 1970 in Dahlem untergebracht war, verlangte Reparaturen am Dach und an den Betonstützen und eine Erneuerung der Wärmedämmung. Die Sanierung wurde für einen Umbau genutzt, der die Ausstellungsfläche verdoppelte.

Erstmals haben jetzt auch die Keramiken aus Korea und Vietnam eigene Räume erhalten. Ein Schaudepot liegt über den niedrigen Galerien für das Kunstgewerbe. Paneele und Parkett aus Buchenholz und Wände aus Weißglas sorgen für eine stimmige Atmosphäre in der fensterlosen Hülle. Da die empfindlichen Seidenbilder oft nicht mehr als 50 Lux vertragen und selbst dann viele Exponate alle drei Monate ausgetauscht werden müssen, gehört der Wechsel zum Konzept.

In den hohen Sälen mit chinesischer und japanischer Malerei werden die Wände aus Vitrinen gebildet, die das Licht behutsam über die Bilder streuen. Ein „Adler auf hohem Felsen“, 1924 von Qi Baishi gemalt und 1955 Otto Grotewohl, dem Ministerpräsidenten der DDR gewidmet, schöpft diese Höhe ziemlich stolz aus. Die meisten Werke aber belegen eine ästhetische Tradition, die einen weiten Bogen durch die Jahrhunderte spannt. Selbst fünfhundert Jahre alte Rollbilder aus China, wie die „Pflaumenblüten im Mondlicht“, die sich auf einer zehn Meter langen Querrolle Schritt für Schritt in den Blick schieben, wirken in ihrer Reduktion und Abstraktion auf den westlichen Betrachter erstaunlich modern.

In einem Vortragsraum wird eine CD-Rom vorgestellt, die ein zwölf Meter langes Panorama einer Einkaufsstraße in Tokyo 1805 ausführlich erschließt. Eine Kölner Professorin hat mit ihren Studenten mehrere Semester lang an den Beschreibungen der über 1.000 Figuren und über 100 Geschäfte gearbeitet, die über Architektur, Essgewohnheiten, Berufe, Stände und Religionen informieren. Das Beispiel zeigt zugleich, wie viele Ebenen des Kontextes zur Entschlüsselung herangeholt werden müssen. Gegen diese Überschwemmung der Werke mit Text setzt die Museumskonzeption auf das ästhetische Erleben und die Aura des Kostbaren. Nur im Foyer erinnert eine Arbeit von Nam June Paik daran, dass Künstler aus Ostasien in der zeitgenössischen Szene sehr präsent sind. In Film, Fotografie, Theater, Literatur und Video führen sie eine Auseinandersetzung mit der Tradition, die den Einbruch der Moderne als Schock, Verlust und Befreiung beschreibt.

Unter den Kunstkennern Ostasiens genießt das Museum zwar weltweit einen hervorragenden Ruf. Ein junges Publikum aber, das sich für Geschichten aus Hongkong und Tokio zuerst im Kino begeistert hat, für die Vergangenheit zu gewinnen, verlangt mehr als Ruhm unter Experten. Damit hat sich das Museum bisher schwer getan. Es hat sich auf seiner musealen Würde ausgeruht.

Im erweiterten Masterplan der Staatlichen Museen gehört das Haus zu den Schätzen, die an den Schlossplatz rücken und die Museumsinsel erweitern sollen. Doch bevor diese Vision in ein bis zwei Jahrzehnten zur Realisierung ansteht, verdient Dahlem eine größere Aufmerksamkeit. Nichts wäre fataler für die außereuropäischen Sammlungen, als wieder nur als Zwischenlösung gehandelt zu werden.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Infos: www.smb.spk-berlin.de

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