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buchmessernVerlagsempfänge fördern die Kommunikation

Sekundäres Gerede

Man stellt sich zum Buch ja immer Stille vor. Entweder sitzt jemand am Schreibtisch und schreibt ein Buch – und es herrscht Stille. Oder jemand sitzt im Lehnstuhl, liest ein Buch – und es herrscht auch Stille. Bücher und Lärm, das kriegt man gedanklich nicht recht zusammen. Mag sein, dass auch das wie so vieles mit dem untergründigen Weiterwirken kulturreligiöser Vorstellungen zu tun hat: Bei der Beschäftigung mit Büchern soll man ganz bei sich sein.

Da wird man natürlich bei dieser neurotischen, verquasselten Buchmesse jedes Jahr aufs Neue eines Besseren belehrt. Wenn Sie zu Messezeiten mal in Frankfurt sein sollten, stellen Sie sich doch spaßeshalber mal in die Lobby vom „Frankfurter Hof“, wo die Stargäste und die ausländischen Buchagenten absteigen: Was für ein Geräuschpegel! Was für ein kommunikatives Hintergrundrauschen! Ein Buch, gewinnt man da den Eindruck, soll nicht eher gedruckt sein, bis nicht der letzte Randaspekt in Small Talk überführt ist.

Man kann sich nun fragen, ob es nicht dieser ständige diskursive Lärm ist, der bewirkt, dass regelmäßig zu Buchmessenbeginn Untergangsszenarios in den Feuilletons erscheinen, diese Woche brillierte gerade mal wieder die Süddeutsche in dieser Textgattung. Jemand sollte mal eine Umfrage unter den Kritikern machen, ob sie nicht, wenn es daran geht, irgendein Buchmessenthema leitartikelmäßig hochzuziehen, unwillkürlich an all das Gequatsche vom vergangenen Jahr denken müssen. Dann tippt es sich wie von selbst, dass es mit dem Büchermachen ein schlimmes Ende nehmen werde. Das Untergangsszenario als Abwehrzauber dessen, dass es im Buchwesen eben auch ums Geschäft geht und damit ums große Gefeilsche, Renommieren, Gerüchtestreuen – ums Miteinander-Reden eben.

Aber es gibt natürlich auch die Branchenvertreter, die diesen Ausnahmezustand des Kommunizierens während der Messetage genießen. Michael Krüger beispielsweise, der Chef des Hanser Verlages, ist von seinem verlegerischen Ansatz her sicher eher ein Mann der Eigentlichkeit, des Bei-sich-Seins. Als aber sein Autor Georg M. Oswald einen internationalen Preis erhielt, der ihm gleich vier Übersetzungen eintrug, und das auf einem Empfang gefeiert wurde, war auch Krüger ein emsiger Arbeiter im Reich des sekundären Geredes, das sich doch, wie sogar in einem von ihm verlegten Buch (von George Steiner) steht, längst über die Bücher selbst gelegt haben soll. Und gerührt musste man denken: Solange es Menschen gibt, die Bücher nicht nur gerne machen, sondern auch gerne darüber reden, wird das Buch nicht untergehen; und sei es nur, dass man Bücher als Anlass braucht, um mal wieder ins Gespräch zu kommen.

Wobei zu Michael Krüger noch anzumerken wäre, dass er das kommunikative Geschäft des Büchermachens sogar noch äußerst kostengünstig betreibt: Der Hanser Verlag richtet auch dieses Jahr keinen dieser großen Empfänge aus, die während der Messe die Infrastruktur des Branchengequatsches bereitstellen. So wie es in der EU Geber- und Nehmerstaaten gibt, gibt es während der Messe auch Geber- und Nehmerverlage. Die Geberverlage sind diejenigen, die die Empfänge bezahlen, zu denen dann eh immer alle hingehen – eine bislang eingespielte Arbeitsteilung.

Zum Nehmerverlag wollte auch Rowohlt werden, seit Jahren eher auf der Geberseite tätig. Nur hat bei Rowohlt, wo ja, sagen wir, zurzeit nicht alles klappt, auch das nicht geklappt: Der Verlag richtet doch ein Fest aus. Und zwar soll „Stuttgart“ (Rowohlt-Sprech, gemeint ist der Sitz des Holtzbrinck-Konzerns, dem der Verlag gehört) eine Notiz im Manager Magazin aufgefallen sein, der das Nichtausrichten des Festes mit der allgemeinen Rowohlt-Krise in Zusammenhang brachte. Das ging nicht. Und „Stuttgart“ verfügte: Fest muss sein! So fügt es sich, dass Rowohlt, um nicht ins Gerede zu kommen, auch dieses Jahr eine schöne Gelegenheit zum Miteinander-Reden ausgerichtet hat – gestern Abend. Das sind so die Sachen, über die hier geredet wird. Bücher lesen kann man auch zu Hause.DIRK KNIPPHALS

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