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Gute Headlines turnen an

Die Unterzeile verlangt die wichtigste Information (Champions League: Bayern München schlägt Paris 2:0), eine These (Krise ist weggeredet) und gern ein Bonmot (Spieler spricht). Voilà:

aus München THOMAS BECKER

Gibt es einen Verein, dem man eine Krise mehr gönnt als dem FC Bayern? Nicht wirklich. Sie sind eigentlich immer Favorit. Seit Jahrzehnten Klassenprimus in den Fächern Geldverdienen und Titelsammeln. Meistbeneideter Klub der Liga. Verspottet als FC Ruhmreich oder FC Hollywood. Wenn so ein Klub mal nicht ständig wie ferngesteuert einen Sieg nach dem anderen einfährt, tut das der Underdog-Seele einfach gut. Schließlich hat man in „High Noon“ auch Gary Cooper die Daumen gedrückt und nicht den vier übermächtigen Revolverhelden.

Vor der Partie gegen Paris St. Germain war es endlich so weit: Bayern München in der Krise. Und wie: drei Mal hintereinander 0:1 verloren – die schlimmste Serie seit 23 Jahren. Andere Vereine feiern es als Erfolg, wenn sie in drei Spielen nur drei Gegentreffer kassieren. Aber 287 Minuten ohne Tor – unmöglich, das. Statt dem Champions-League-Pokal drohte ein Ausscheiden schon in der Vorrunde – wie schnöde. Krisenherde, wohin man nur schaut. Der Trainer: genervt ob der offensiven Laxheit der Truppe, offenbart eine beinahe philosophische Tiefe in seinen sonst so spröden Sätzen: „Ich bin das nicht gewohnt [das Verlieren, d. Red.]. Für mich sind das verlorene Tage im Leben.“ Der Manager: deutschlandweit so richtig in der Mangel, für viele der Auslöser der Negativ-Serie. Der Spielmacher: bald vor dem Kadi, da seine Verletzungspause Frauen schlagend in Discotheken verbringend. Der andere Spielmacher: in der Midlife-Crisis, da gerade 30 geworden („War schwerer als erwartet.“). Der Käptn: gewohnt unsouverän („Was heißt hier Krise? Krisen gibt es im Krankenhaus auf der Intensivstation oder im Nahen Osten, aber definitiv nicht im Fußball.“)

Und dann auch noch das Comeback von Lothar Matthäus im Olympiastadion, wenn auch nur als TV-Kommentator – so eine Krise wünscht man ja selbst dem schlimmsten Feind kaum. Und was macht dieser gebeutelte FC Bayern? Lässt die Leidenszeit nur auf 290 Minuten anwachsen, legt durch Salihamidzic erst mal ein Tor vor, damit Ruhe ist. „Das war der Knackpunkt“, sollte Oliver Kahn später sagen, „dann läuft’s einfach anders.“

Wohl wahr: Irgendwann traf dann Jesper Jansson für Helsingborg ins Tor von Trondheim (sehr viel später auch noch Sergio in das von Paris), und die Qualifikation für die nächste Runde ist so gut wie perfekt. Alles wieder gut, Krise vorbei? Da gingen die Meinungen auseinander. Ob denn das „klitzekleine Tief“ nun überwunden sei, wollte Premiere-Mann Christian Sprenger wissen. Hitzfeld, entrüstet: „Das war schon ein Tief. Wir haben drei Mal verloren!“ Die Krise sei erst überwunden, wenn auch die nächsten Spiele ... – also noch keine Absolution vom Chef.

Bei den Spielern klang das schon wieder anders. Thorsten Fink sah sein Team merkwürdigerweise haushoch überlegen: „Wir hätten vier null oder fünf null gewinnen müssen, na gut, sagen wir mal fünf eins.“ Der alte Gönner. Dass die Seinen in Halbzeit 1 außer hohen Flanken ins Nirgendwo nichts zuwege brachte, Anelka der Bayern-Defensive die Grenzen ihrer Beweglichkeit aufzeigte und um einen Elfmeter betrogen wurde, hatte er nicht mitbekommen. Auch Torschütze Salihamidzic glaubte, sein Team habe „das Spiel die ganze Zeit über sehr gut kontrolliert“. „Hatten Sie das Gefühl, die könnten noch ein Tor schießen?“, fragt er keck zurück. Das wurde Torhüter Kahn später auch gefragt, und der sagte: „Ja, natürlich.“ Kahn sprach auch von Angst und Verkrampfung. Scholl gab zu, dass „alle sehr nervös waren am Anfang“, und auch Jeremies war sich des „extremen Drucks“ bewusst, wusste aber auch, dass nicht schon wieder ein spätes Tor gegen den FCB fällt: „Geschichte wiederholt sich meistens nicht.“

Aber noch so ein bisschen Bayern-Krise wär schon nett. Am Samstag ist Derby gegen die Löwen, die ewigen Underdogs. Bayern kann nur verlieren. Wie seit Jahren halt.

Bayern München: Kahn - Sagnol, Andersson, Linke (29. Jeremies), Tarnat - Salihamidzic, Fink, Sforza, Scholl - Santa Cruz (75. Sergio), Jancker (58. Elber)PSG: Letizi - Algerino, Distin, Rabesandratana, Mendy (71. Okocha) - Luccin (84. Cisse), Dehu, Dalmat, Robert - Christian, Anelka Zuschauer: 33.000; Tore: 1:0 Salihamidzic (3.), 2:0 Sergio (89.)

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