: Sozialist und Demagoge
In der Elfenbeinküste gewinnt mit Laurent Gbagbo erstmals ein Sozialist die Präsidentschaftswahlen
Wenn Laurent Gbagbo im Garten hinter seiner mit Büchern und Zeitungen vollgestopften Villa in Abidjan Hof hält und sich im blauen Festgewand von seinen Anhängern bewundern lässt, ist er ganz afrikanischer Patriarch – humorvoll und distanziert zugleich. Seit 30 Jahren mischt der grauhaarige 55-Jährige mit dem selbstsicheren Grinsen in der Politik seines Landes mit und hat mit allen wesentlichen Rivalen von heute leidvolle Erfahrungen gemacht.
In den Zeiten des Wirtschaftswunders und des Einparteienstaates war Gbabgo verfolgter Intellektueller. Schon 1971 wurde er als aufmüpfiger Junglehrer in das Militär zwangseingewiesen und verbrachte zwei Jahre in einem Armeelager unter der Fuchtel eines gewissen Robert Guei – heutiger Präsident des Landes. 1982 gründete er im Untergrund die „Ivoirische Volksfront“ (FPI). Bei den ersten freien Wahlen der Elfenbeinküste 1990 war Gbagbo der Einzige, der sich traute, gegen den langjährigen Alleinherrscher Felix Houphouët-Boigny anzutreten. Damals bekam er nur 11 Prozent, aber er festigte seinen Ruf als unbeugsamer Regimegegner, der nie mit den Mächtigen paktierte.
In die Nähe der Macht rückte Gbagbo erst zu Weihnachten 1999, als das Militär putschte. Das neue Regime aus radikalen und skrupellosen jungen Soldaten unter Führung von Guei gefiel Gbagbo und seiner Partei, die prompt in Gueis Regierung eintrat und als einzige Partei auch drinblieb, als Gueis Junta sich in einen xenophoben Nationalismus flüchtete. Während der andere wichtige Oppositionelle der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, schnell mit Guei brach und heute von diesem verfolgt wird, blieb Gbagbo dem Militärregime eng verbunden und war schließlich der einzige Politiker von Gewicht, der zu den Präsidentschaftswahlen am Sonntag gegen Guei antreten durfte.
Dass er diesen Wahlkampf gewinnen könnte, glaubten die wenigsten. Seine Partei FPI war bisher nicht über 20 Prozent hinausgekommen. Im Wahlkampf tat sich Gbagbo mit demagogischen Parolen gegen die korrupte Elite und ihre ausländischen Freunde hervor, wetterte gegen Ausländer und Einwanderer – die ein Drittel der Bevölkerung ausmachen – und kündigte an, als Präsident die Grenzen zu schließen. Jetzt muss er in dieser Funktion beweisen, dass sein Sozialismus kein Nationalsozialismus ist. DOMINIC JOHNSON
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