: Dosenpfand kommt im Sommer
Eine Chance für Mehrwegverpackungen und eine Bestätigung für Bundesumweltminister Trittin: Seine Kollegen aus den Ländern befürworten Pflichtpfand auf Getränkedosen und Einwegflaschen – abgestuft nach ökologischer Bedenklichkeit
aus Berlin MATTHIAS URBACH
Die erste Runde im Kampf um die Getränkedose war an die Spitzenverbände der Industrie gegangen. Sie hatten das negativ besetzte Wort „Zwangspfand“ in die Welt gesetzt. Seitdem aber verlieren DIHT und BDI eine Runde nach der anderen. Erst scheren die kleinen Wirtschaftsverbände aus der mühsam aufgebauten Front aus. Vorgestern Abend nun sprach sich die Umweltministerkonferenz fast einstimmig für „ein Pflichtpfand“ auf ökologisch schädliche Einwegverpackungen aus.
Mit nur einer Gegenstimme aus Rheinland-Pfalz stärkte die Konferenz damit über die Parteigrenzen hinweg Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) den Rücken. Der hatte im August vorgeschlagen, die komplizierte Quotenregelung seiner Amtsvorgänger abzuschaffen und durch ein Pfandsystem für Einweg zu ersetzen. Seine Vorstellung: ein Pfand zwischen 15 und 30 Pfennig auf alle Getränke-Dosen und Einweg-Flaschen.
Die Umweltminister der Länder beauftragten Trittin nun, „eine Differenzierung der Pfandhöhe nach ‚ökologisch vorteilhaft/nicht vorteilhaft‘ vorzuschlagen“. Dies bedeutet im Klartext ein höheres Zwangspfand auf Einweg als das normale Pfand auf Mehrwegflaschen. Auf 1-Liter-Einwegflaschen könnte es so auch über 30 Pfennig liegen. Das ist mehr, als Trittin verlangte.
Entscheidend für die klare Mehrheit ist die Haltung der Wirtschaftsvertreter. Zwar hält BDI-Chef Hans-Olaf Henkel weiter an seinem Kurs gegen die „nicht zu rechtfertigende Maßnahme“ fest. Aber die kleinen, tatsächlich betroffenen Verbände haben die Nase voll von dieser Politik des Spitzenverbandes. Vor zwei Wochen erklärten die mittelständischen Privatbrauereien, der Getränkefachgroßhandel und der Getränkeeinzelhandel, dass sie sich ein Pfand auf Einweg wünschten. Großbrauereien und die großen Lebensmittelketten „setzen derzeit auf Einweggebinde als Instrument im Verdrängungswettbewerb zu subventionierten Tiefstpreisen“, klagt etwa Günther Guder vom Getränkefachgroßhandel. Die Brauer forderten „Vertrauensschutz für ihre Investitionen“ in neue Mehrweg-Abfüllanlagen. Schließlich hatte die alte Regierung eine Mehrwegquote von 72 Prozent beschlossen, die bereits mehrfach unterschritten wurde.
Die Verbände sparen auch nicht mit Angriffen auf ihre Kollegen. Die vom Lebensmittelhandel beschworenen Kosten eines Zwangspfandes in Höhe von 3 bis 7 Milliarden Mark seien „aus der Luft gegriffen“, schimpft Roland Demleitner vom Privatbrauerverband. Henkels Vorschlag – Selbstverpflichtung statt Pfand – sei ein „Ablenkungsmanöver“.
Und noch etwas spricht für das Pfand: Die EU-Kommission ermittelt wegen der bestehenden deutschen Regelung: Da Mehrweg in der Regel nur aus dem Inland billig bereitgestellt werden kann, sieht die EU die 72-Prozent-Quote als Wettbewerbshindernis, das den Anteil ausländischer Anbieter von vorneherein auf die übrigen 28 Prozent beschränkt. Trittins Vorschlag würde dieses Problem umgehen.
Das hat die Länder offenbar überzeugt. Sie forderten Trittin gestern auf, nun ein genaues Konzept zu entwickeln. Spätestens im Sommer soll es dann mit den billigen Wegwerfdosen vorbei sein. Allerdings müssen noch die Kabinette von Bund und Ländern zustimmen. Und die Lobbyarbeit von BDI und DIHT wird nicht zu unterschätzen sein.
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