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BVB oweeeh oweh

Nach dem 2:1 von Schalke 04 im DFB-Pokal gegen Dortmund ist eines sicher: Diese klassische Rivalität ist auch nicht mehr das, was sie mal war

von ULRICH HESSE-LICHTENBERGER

Als schon alles vorbei war im Gelsenkirchener Parkstadion, als die Schalker Sieger großmütig Zusatzinterviews von beinahe einer ganzen Zigarrenlänge gaben, als die Dortmunder Verlierer davonschlurften, um das Donnerwetter des Übungsleiters ob der 1:2-Niederlage entgegenzunehmen, da saßen zwei Fans noch gemütlich vor einem Fernseher. Der linke steckte in einer blauen Kunstlederjacke und beuligen Cargo-Hosen. Eine Strickmütze mit dem Schriftzug „S04“ bedeckte modern widerspenstiges Haupthaar. Der rechte hatte eine schicke schwarze Baseball-Kappe mit dem BVB-Emblem auf dem präzise frisierten Kopf und trug eine trenchcoatartige Freizeitjacke in sauberem Beige.

Die zwei betrachteten das Ende der ZDF-Berichterstattung über die 3. Runde des DFB-Pokals und tranken gut gelaunt ihre Biere, während die Schalker und Dortmunder Fußball-Legenden Klaus Fischer und Lothar Emmerich auf dem Bildschirm erschienen. „Das ist mein Trainer!“ rief der Mann mit der Mütze, während Fischer sprach. Und nachdem Emmerich eine Szene, in der der Dortmunder Dede den Schalker Asamoah von den Beinen holte, mit „Da hätte man zwei Elfmeter draus machen können“ kommentierte, lachten beide gleich laut und fröhlich.

Peter Lohmeyer und Joachim Król sind nicht nur bekannte Schauspieler, sondern auch bekennende Fußball-Fans. Königsblau der erste, schwarz-gelb der zweite, trotzdem sind sie gute Freunde und touren nicht ungern als Diskussions-Duo zum Thema „Rivalität im Revier“ übers Land. Das ist das wahre Ruhrgebiets-Derby: Wer trinkt schneller, lacht lauter, hat den flotteren Gag auf Lager? Alles andere – „Der Hass, so tief wie ein Schacht“ titelte eine Sportzeitschrift am Morgen des Spiels selten dämlich – ist ein Relikt aus einer anderen Epoche. Aus den 80er-Jahren vielleicht, in denen die Nachbarn arm wie Kirchenmäuse waren, üblicherweise 0:1 im Nieselregen gegen Mannheim verloren und sich nur mit gegenseitigen Beschimpfungen warmhalten konnten. Seit dem Boom des letzten Jahrzehnts gibt es bloß noch putziges Ballyhoo und Neckereien vom Stil Lohmeyer-Król zwischen den Klubs. Vor drei Jahren konnte Schalkes Betreuer Charly Neumann vor der Dortmunder Südtribüne Fans herzen, während das Stadion „Ruhrpott“ brüllte, diesmal wünschten die Anhänger der Knappen dem schwer erkrankten Borussen Heiko Herrlich per Plakat baldige Genesung.

Natürlich gibt es hie und da Versuche, ein bißchen Feuer in die Angelegenheit zu bringen, aber das endet in biederen Diskussionen wie der, ob BVB-Manager Michael Meier seinen Kollegen Rudi Assauer nun „Kaschmir-Prolet“ oder „Kaschmir-Hooligan“ genannt hat. Brav erwähnte Trainer Huub Stevens nach dem Spiel, dass dies „zusätzliche Motivation“ für seine Elf gewesen wäre, aber er sagte auch: „Wir als Mannschaft beteiligen uns nicht an der Rivalität.“ Und Assauer erklärte ruhig, dass „das Glücksgefühl nicht größer ist als nach dem Sieg gegen Bayern.“ Glücksgefühl? Ach ja, es hatte auch einen Wettkampf gegeben. Der dauerte exakt sechs Minuten, denn nachdem Ebbe Sand die frühe Gästeführung durch Guiseppe Reina (3.) ausgeglichen hatte, spielten nur noch die Schalker – und zwar den BVB an die Wand. „So ist Fußball“, bilanzierte Assauer. „Wir hatten mehr Chancen als beim 4:0 in Dortmund, haben vielleicht auch besser gespielt, aber am Ende nur 2:1 gewonnen.“ Das Siegtor erzielte van Kerckhoven (42.), und damit war die Borussia gut bedient, denn ihr Torwart Jens Lehmann war hauptsächlich damit beschäftigt, Freistößen nachzuschauen, die an den Pfosten klatschten oder das Tor um Grashalmesbreite verfehlten. „Wir haben kollektiv versagt,“ meinte Matthias Sammer bitter, aber als Erklärung für das Geschehene war das ebenso kurzsichtig wie sein Kommentar nach dem 0:4 vor zwei Monaten, der BVB habe „einen schwarzen Tag erwischt.“ Tatsache ist, dass Königsblau einfach besser ist als Schwarz-Gelb, in allen Mannschaftsteilen, in allen Fußball-relevanten Kategorien. Wo die einen den Ball schnell laufen lassen, handeln die anderen sich durch pure Hilflosigkeit Bestrafungen ein: Evanilson sah Gelb-Rot und sogar Lehmann bekam eine Verwarnung, weil er in der Schlussminute im Strafraum des Gegners gestrandet war und seinen Kollegen Reck tapsig umreissen musste, um einen schnellen Abschlag zu verhindern. Wer will sich da noch über „Rivalität“ in die Haare kriegen?

Apropos. Vor einer Woche ließ das Magazin einer großen Tageszeitung die Haare aller Bundesliga-Trainer analysieren, genauer gesagt ihre Frisuren. Bei Stevens hieß es: „Sehr elegant, so zwischen Dandy und Macho.“ Das gilt auch für Schalke, wo Künstler wie Andreas Möller und Arbeiter wie Tomasz Waldoch zusammen den Goldenen Schnitt gefunden haben. Zu Sammer meinte der Coiffeur: „In Ordnung.“ Aber: „Nachschneiden.“

Schalke 04: Reck - Hajto, Waldoch, van Kerckhoven - Latal (90. Eigenrauch), van Hoogdalem, Nemec, Böhme - Möller - Asamoah (68. Mulder), Sand Borussia Dortmund: Lehmann - Wörns, Kohler, Dede - Evanilson, Stevic (60. Heinrich), Oliseh - Ricken - Addo (70. Tanko), Ikpeba (46. Bobic), ReinaZuschauer: 58.419Tore: 0:1 Reina (3.), 1:1 Sand (6.), 2:1 van Kerckhoven (41.) Gelb-Rote Karte: Evanilson (88.) wegen wiederholten Foulspiels

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