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Die Häuptlinge als Machtfaktor

In Südafrika finden heute Kommunalwahlen statt. Sie wären fast an dem Streit um die Stellung der traditionellen Führer geplatzt. Nun muss der ANC ihnen weitreichendere Rechte in der Verfassung einräumen als ursprünglich vorgesehen war

Aus Johannesburg KORDULA DOERFLER

Chief Patekile Holomisa ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Der Jurist ist mit einer Königstochter verheiratet, selbst Häuptling der Ama-Hegebe in der südafrikanischen Provinz Ostkap, Vorsitzender des Kongresses der traditionellen Führer (Contralesa) – und gewähltes Parlamentsmitglied für den Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Mit seiner Partei allerdings ficht er seit Jahren einen heftigen Streit. Zwar stehen die Mitglieder von Contralesa dem ANC politisch nahe, doch dessen Vorstellungen über die künftige Rolle der knapp 1.000 Häuptlinge in Südafrika haben dazu geführt, dass die heute stattfindenden zweiten demokratischen Kommunalwahlen am Kap fast geplatzt wären.

Denn das schwere Erbe der Apartheid-Zeit ist in Südafrika allgegenwärtig: Bisher unterstanden noch immer rund 13 Prozent des Landes, die ehemaligen so genannten Homelands, nicht der Kontrolle von gewählten Politikern, sondern den traditionellen Häuptlingen. Die Chiefs verteilen dort nicht nur das Land, sondern sprechen auch Recht und schlichten Familienstreits, eine Funktion, die sie nach afrikanischem Glauben von den Ahnen ererbt haben. Mit einer Neuzuschneidung der Kommunen soll es jedoch mit dieser Macht nach dem Willen des ANC vorbei sein. Auch die extrem rückständigen ländlichen Gebiete, die heute noch von den Chiefs regiert werden, kommen nun unter die Verwaltung von gewählten Gemeinderäten. Den Chiefs bliebe dann lediglich eine symbolische Funktion als Beisitzer ohne Stimmrecht, wie es auch in der Verfassung vorgesehen ist.

In den ländlichen Gebieten allerdings sind sie noch so mächtig, dass sie dem ANC, weitgehend eine moderne Großstadtbewegung mit entsprechenden Wertvorstellungen, einen weitreichenden Kompromiss abgenötigt haben. Auf Druck der Häuptlinge musste er sich verpflichten, die Verfassung zu ändern und ihnen weitreichendere Rechte zuzusichern als ursprünglich vorgesehen. Nur mühsam hat die Partei, dominiert von einer Generation von ehemaligen Exilanten, eingesehen, dass an den Häuptlingen auch im demokratischen Südafrika kein Weg vorbeiführt – ein Problem, mit dem sich auch andere Staaten in Afrika herumschlagen.

„Die erste Instanz auf dem Land sollte der Häuptling bleiben“, fordert Holomisa. „Die Regierung aber blickt nach Europa, wo die Könige längst nur noch eine symbolische Funktion haben, und hoffen, dass sie mit uns das Gleiche machen können.“ Um diese in den Großstädten des Landes meist mitleidig belächelten Forderungen durchzusetzen, ist der ANC-Politiker auch Allianzen mit den meist sehr konservativen Häuptlingen in Kwa-Zulu/Natal eingegangen. Kritiker monieren allerdings, dass das Amt längst durch Kolonial- und Apartheid-Zeit ausgehöhlt worden ist. „Die Drohungen der Inkatha-Häuptlinge sind reine Erpressung“, meint Mary de Haas, Antropologin der an Universität von Durban. „Im neuen Südafrika gibt es keinen Platz mehr für Institutionen, die nicht demokratisch legitimiert sind.“

Die Regierung indessen würde das Problem am liebsten aussitzen und hofft insgeheim darauf, dass es sich von selbst erledigt. Dafür zahlt sie einen hohen Preis. Jeder anerkannte Häuptling bekommt vom Staat ein Salär, das je nach Status berechnet wird. Bei einem Paramount Chief mit Rang eines Königs beträgt das immerhin mehr als 300.000 Rand im Jahr – mehr verdient auch ein Minister nicht.

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