: „Gleichberechtigte Bürger“
Der Deutsche Behindertenrat stellte gestern in Berlin seine „Zwölf Grundsatzthesen“ vor. Der Verband fordert ein Gleichstellungsgesetz und will das Klonen verbieten
BERLIN taz ■ Die deutschen Behindertenverbände haben den Bundestag aufgefordert, sich entschieden gegen die Bioethik-Konvention zu stellen. „So lange in dieser Konvention zulässig ist, dass Eingriffe an einwilligungsunfähigen Menschen möglich sind, kann und darf eine solche Konvention von Deutschland nicht unterzeichnet werden“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Behindertenrates, Walter Hirrlinger, gestern anlässlich des Weltbehindertentages in Berlin. Hirrlinger setzte sich für ein generelles Klon-Verbot ein und lehnte jegliche Selektion behinderten Lebens ab.
Die Gesellschaft solle ihren Umgang mit Behinderten überdenken. „Wir wollen nicht als Fürsorgeobjekte betrachtet werden, sondern als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger. Deshalb fordern wir auch ein Gleichstellungsgesetz“, sagte Hirrlinger. Bislang existiert lediglich ein Benachteiligungsverbot. Eine Änderung des Gesetzes hat die rot-grüne Bundesregierung bereits beschlossen. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll im Sommer 2001 vorliegen, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Behinderten, Karl Hermann Haack.
Symbolisch schlug Walter Hirrlinger zu Beginn der Veranstaltung unter dem Motto „Menschenwürde – Bürgerrechte. Unantastbar? Garantiert“ zwölf Thesen an die Tür der Berliner Nikolaikirche. Damit will der Verband, der in Deutschland 2,5 Millionen Menschen mit Behinderungen vertritt, für mehr Toleranz und Rechte der Behinderten kämpfen.
Behinderte seien keine „Objekte staatlicher Hilfen“, sondern „Auftrag- und Arbeitgeber“ für soziale Dienste, heißt es darin. Sie hätten einen „Anspruch auf Förderung und Begleitung“. „Recht auf Intimsphäre“ und „Schutz vor sexuellen Übergriffen“ müssten sichergestellt werden. Die Gebärdensprache sei als eigenständige Sprache anzuerkennen. Behinderten Menschen solle jederzeit der Zugang zu geeigneter Arbeit, bedarfsgerechtem Wohnen sowie Freizeit- und Bildungsmaßnahmen ermöglicht werden. Der Lebensraum müsse barrierefrei gestaltet werden, fordern die Behindertenvertreter.
In diesen „Grundsatzthesen“ sieht der Verbandsvorsitzende Hirrlinger eine „Messlatte für die Maßnahmen, die politisch Verantwortliche treffen und an denen wir sie messen werden“.
Der Deutsche Behindertenrat wurde am 3. Dezember 1999 als Zusammenschluss von verschiedenen Sozial- und Behindertenverbänden gegründet.
KARSTEN NEUSCHWENDER
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