Tschurimuri im Nerz

■ Die „Vagina-Monologe“, verkuschelt im Neuen Cinema

Wenn man nach der Vorstellung im Neuen Cinema den Steindamm Richtung Hauptbahnhof herunterläuft, sieht es aus wie vorher. Da lächelt Claudia Schiffer auf riesigen Plakaten als Barbiepuppe herunter auf die „World of Sex“-Shops, und die jungen Nutten stehen immer noch gelangweilt am Straßenrand. Aber im Kopf hat sich ein seltsames Wort festgesetzt: Tschurimuri.

„Welchen Namen würden Sie Ihrer Vagina geben?“ fragte die amerikanische Journalistin Eve Ensler mehr als 200 Frauen. Oder: „Wenn Ihre Vagina sich anziehen würde, was würde sie tragen?“ Aus diesen und anderen Statements hat sie ein Buch und ein Theaterstück entwickelt, das die Region „da unten“ enttabuisieren, das Innerste outen soll: die Vagina-Monologe. Im puritanischen Amerika zunächst ein Skandal, wurde das mittlerweile preisgekrönte Stück zum neofeministischen Kult. Vor ständig ausverkauftem Haus reißen sich Starschauspielerinnen wie Whoopi Goldberg, Glenn Close oder Winona Ryder um Gastauftritte.

Jetzt also auch in Hamburg, im Neuen Cinema, der neuen Spielstätte des Schauspielhauses. Klein und intim das Ambiente: Tischchen und fellbesetzte Lämpchen für die Zuschauer, ein Goldvorhang und ein paar Stühle auf der Minibühne. Klein und intim ist auch die Inszenierung: Die belgische Regisseurin Viviane De Muynck steckt zusammen mit Anne Weber und Marlen Diekhoff die Köpfe ins Textbuch, Olaf Casimir zupft dazu den Kontrabass. Wie bei einem gemütlichen Adventskränzchen unter Freundinnen: „Puderdose“ sagt die eine, „Muschi“ wirft die nächste ein, „Fotze“ kontert die dritte.

Aber die demonstrative Lockerheit wirkt verkrampft. Erst wenn die Frauen wirkliche Monologe halten, kommt so etwas wie Spannung auf. Wenn sie vom Vagina-Workshop erzählen oder dem Faible fürs Stöhnen. Rührend, wenn De Muynck auf Zehenspitzen gereckt mit Mickymausstimme die Fünfjährige mimt, die in der Badewanne ihre Tschurimuri immer mit Pflaster zuklebt, damit sie nicht volläuft und platzt. Bedrohlich, wenn Weber als Lesbe per Stimmverzerrer eine Bassstimme bekommt.

Aber solche Irritationen sind die Ausnahme. De Muynck setzt auf Text pur und ein bisschen Musik – und das ist einfach zu wenig. Ohne Höhepunkte reihen sich die Monologe wie bei einer Nummernrevue aneinander, und man hat viel Zeit, die Schauspielerinnen zu betrachten. Marlen Diekhoff ist hypernervös, Viviane De Muynck hypertough und Anne Weber hyperwandlungsfähig. Und wir? Sind unbefriedigt. Trotz der Invasion an Vaginas. Karin Liebe

nächste Vorstellungen: 9., 10., 20., 21., 22. 12., jeweils 21 Uhr, Neues Cinema, Steindamm 45