■ H.G. Hollein: Von ... bis
Die Frau, mit der ich lebe, hat die Franzosen für sich entdeckt. Die seien so wunderbar zuvorkommend. Das stimmt. Wenn sie denn da sind. In unserem bretonischen Urlaubsweiler gab es drei Restaurants. Nummer Eins hatte Betriebsferien, Nummer Zwei beschränkte seine gastlichen Darreichungen auf die Wochendenden, Nummer Drei servierte nur mittags und war montags überhaupt und sowieso geschlossen. Die Gefährtin fand das sehr charmant. Schließlich hatte unser Domizil neben einer Riesenbadewanne auch eine ebensolche Küche. Und so stand ich in der einen, derweil sie in der anderen lag. Auch sonst hatten wir viel Zeit für uns. Museen und andere Sehenswürdigkeiten lockten zwar stets damit, sie seien „Tous les Jours“ (alle Tage) geöffnet, nur gab es da noch den kleingedruckten Zusatz „sauf“ (außer). Außer von Oktober bis März, Montags oder Dienstags und eigentlich nie zwischen zwölf und zwei. Letzteres erwies sich angesichts der natürlichen Morgenträgheit der Gefährtin als nicht unbeträchtliches planerisches Handicap. Andererseits: Wer alles sehen will, sieht letzlich gar nichts. Und das gesparte Eintrittsgeld kann man ja umgehend wieder in Badeschaum anlegen. Natürlich nur, wenn die Geschäfte geöffnet haben. Etwa jene, die von „Huit à Minuit“ der Kunden harren, also angeblich von acht bis Mitternacht. Dazwischen soll es tatsächlich irgendwo ein offenes Zeitfenster geben, allein es zu treffen verlangt eine Vertrautheit mit den lokalen Lebensrhythmen, die den Rahmen gewöhnlicher Urlaubsaufenthalte übersteigt. Darum will die Gefährtin am liebsten gleich wieder hin. Die Sprache lernt sie ja nun auch fleißig. Ich finde nur, dass sie nicht unbedingt mit „aujourdhui pas, Cherie“ – heute nicht, Schatz – hätte anfangen müssen.
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