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„Kein Anstieg beim Waffengebrauch“

Interview mit dem Vorstandsmitglied des Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e. V., Norbert Pütter

taz: Herr Pütter, Ihr Institut veröffentlicht regelmäßig eine eigene Statistik über den polizeilichen Schusswaffengebrauch mit Todesfolge. Warum, wo es doch die offizielle Statistik der Innenministerkonferenz gibt?

Norbert Pütter: Die gab es nicht immer. Bis zur Mitte der 70er-Jahre waren polizeiliche Todesschüsse in der Öffentlichkeit kein Thema. Wir waren aber der Meinung, dass dies die extremste Form ist, in der staatliche Gewalt für die BürgerInnen erfahrbar ist. Deshalb wollten wir darüber informieren.

Sind es gezielte Todesschüsse in Not oder fallen sie in ganz alltäglichen Situationen?

Die öffentliche Diskussion ist hier von der Frage des so genannten Finalen Rettungsschusses bestimmt. Etwa um das Leben einer Geisel zu retten. Nach unseren Beobachtungen stellen solche Situationen jedoch Ausnahmen dar. Vielmehr sind es ganz alltägliche Situationen, in denen Menschen erschossen werden: Ruhestörungen, Familienkonflikte oder weil Anwohner einen Einbruch melden. Häufig ist das Opfer sogar unbewaffnet.

Zwischen Ihren und den offiziellen Zahlen gibt es Differenzen. Warum?

Wir erstellen unsere Übersichten durch eine umfängliche Presseauswertung. Die Zahlen der Innenministerkonferenz beruhen auf den Meldungen der Länderpolizeien. Unterschiede beruhen insbesondere auf einer Änderung der Erfassungskriterien. Seit 1983 werden so genannte „unbeabsichtigte Schussabgaben“ nicht mehr gezählt.

Beobachten Sie einen Anstieg beim Schusswaffengebrauch?

Eindeutig nein. Wir haben das einmal bilanziert. Danach wurden zwischen 1978 und 1987 insgesamt 122 Menschen von der Polizei erschossen. Zwischen 1988 und 1999 waren es 118. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl bei durchschnittlich 10 bis 12 Toten jährlich eingependelt. Man kann nicht sagen, dass die Polizei schießwütiger geworden ist. INTERVIEW: OTTO DIEDERICHS

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