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Ferien mit Michel

Michel Houellebecq: „Suche nach Glück“. Gedichte. DuMont. Köln 2000. 196 S. 32 DM. „Lanzarote“. Erzählung und Fotografien. DuMont. Köln 2000. Zwei Bände, je 80 Seiten. 49,90 DM

In Frankreich lagen zwischen dem Erscheinen der beiden Bücher etwa vier Jahre. In Deutschland kamen sie zeitgleich auf den Markt. Im Gedichtband, der in der Originalausgabe schon 1996 erschienen war, heißt es unter dem Titel „Ferien“: „Eine tote Zeit. Ein weißes Loch macht sich im Leben breit.“ Und sechs Zeilen weiter bekennt der Dichter: „Ich habe Lust, mich umzubringen, einer Sekte beizutreten.“ Solche Verse haben Houellebecq in Frankreich das Prädikat „Neuer Deprimismus“ eingetragen.

Vier Jahre sind vergangen. Houellebecq hat inzwischen ein ganzes Buch über Ferien verfasst. Ferien auf Lanzarote. Er hat fotografiert und eine Erzählung geschrieben. Darin stehen zum Beispiel Sätze wie: „Der Strand, das muss man sagen, war wunderschön.“ Oder: „Ich bemerkte, dass ich die Insel zu mögen begann.“ Oder: „Wirklich, ein schöner Tag.“ Und: „Ich war nackt und glücklich.“ Schließlich sogar: „So schlief ich ein, Barbaras Hüfte umschlingend, Tränen des Glücks in den Augen.“

Der vier Jahre alte Gedichtband, der jetzt erstmals auf Deutsch vorliegt, trägt den Titel „Suche nach Glück“. Die Suche bleibt vergebens in diesem Band. Sie muss vergebens bleiben. Auf dieser Welt, in dieser Zeit, in diesem Leben, mit diesen Menschen ist kein Glück zu finden. Nirgends. Nur eine unstillbare Sehnsucht, eine Suche, eine Ahnung und ein Weitergehen trotzdem: „Es müsste eine Welt da sein, in der man lieben, ein Ozean, in dem man schwimmen kann.“ Es gab sie nicht, diese Welt und diesen Ozean. Und der Dichter wunderte sich: „Ich überlebe schon sehr lange. Seltsam.“

Und jetzt, jetzt hat er nicht nur überlebt, sondern auf der kargen Kanareninsel Lanzarote sogar das Glück gefunden. In der körperlichen Liebe, in der postapokalyptisch anmutenden Landschaft und im Fortgehen an sich. Natürlich: Auch das Unglück ist noch da. Es heißt hier Rudi, kommt aus Belgien und schließt sich, statt Selbstmord zu begehen, verzweifelt einer Welterlösersekte an. Aber der Ich-Erzähler, der dem Unglück immer wieder aufmunternd auf die Schulter klopft und zu kleinen Ausflügen überredet, ist guter Dinge, träumt von Wiedergeburt ganz ohne Gentechnik und erfreut sich an Kakteengärten. Wenn das so weitergeht, wird man beim nächsten Houellebecq vielleicht von einem „Neuen Euphorismus“ sprechen können. Als Dichter war er vorher größer.

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