: Surfen ins WG-Zimmer
Internetsuchdienste für Wohngemeinschaften werden immer beliebter. Die WG- oder Mitbewohnersuche per Netz ist nicht nur praktisch und äußerst informativ, sondern auch kostenlos. Genutzt wird sie besonders von WG-Fans in den Zwanzigern
von RICHARD ROTHER
Die Friedrichshainer Wohngemeinschaft weiß, was sie will. „Wir suchen eine Frau, die Lust auf Wohnen mit einem Kind und linker Perspektive hat.“ In der WG „existieren Pläne dort, wo sie nötig sind. Geld verdienen müssen, klüger werden und andere Verhältnisse schaffen wollen, bestimmen und beschränken oft den gemeinsamen Alltag.“ Ansonsten werden eine Wohnküche, Zeitungsabos und ein Gemeinschaftsauto geboten.
Wer schon mal Mitbewohner für seine Wohngemeinschaft gesucht hat, kennt das: Die paar Infos, die man in einer Zeitungsanzeige unterbringen kann, führen zu unzähligen Anfragen. Dann kommen die endlosen Telefonate, bei denen Bieter und Suchende gegenseitig die Basics abchecken. Ist das soweit geklärt, beginnt die leidige Terminsuche – und am Ende stellt sich nach drei Minuten raus, dass man zwar smalltalken, nicht aber zusammenwohnen kann.
Die Friedrichshainer WG hat die Konsequenz daraus gezogen und ist zu einem Online-WG-Vermittler gegangen. Umso mehr Infos vorab klar sind, umso besser. Also erfährt die Umworbene – Frauen ab 25 sind gesuchte Wesen auf dem Berliner WG-Markt – noch einiges über ihr künftiges Zuhause: Zimmergröße, Preis, Art der Heizung; dazu Anzahl, Alter, Ernährungsweise und „sexuelle Orientierung“ der künftigen Mitbewohner.
„Wir freuen uns, wenn wir den Leuten helfen können“, sagt Patrick Krause, einer der Gründer der WGCompany.de. Im Februar hat er mit einem US-amerikanischen Programmierer angefangen, die WG-Site aufzubauen. „Damals hatten wir nur ein paar Einträge.“ Jetzt sei das Interesse aber riesig, zieht Krause nach fast einem Jahr Bilanz. Mehrere hundert aktuelle Einträge verzeichnet Krause für Berlin. „Berlin ist eben eine WG-Stadt.“
Dei WGCompany vermittelt nicht nur, sie analysiert auch den Berliner WG-Markt. Die meisten WGs gibt es in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg; meist sind es Zweier- oder Dreierwohngemeinschaften. Dies entspricht nicht der Nachfrage; viele suchen auch größere WGs. Der beliebteste Bezirk ist Prenzlauer Berg, gefolgt von Mitte, Kreuzberg, Friedrichshain. Einem Großteil der WG-Suchenden ist der Bezirk aber egal. Das Männer-Frauen-Verhältnis bei den Suchenden ist gleich, die Gruppe der 21- bis 23-Jährigen hat den mit Abstand größten Anteil, gefolgt von der der 24- bis 26-Jährigen.
Die WGCompany gibt es mittlerweile auch in Hamburg und München, aber mit geringerer Resonanz. „In Berlin hat das unglaublich eingeschlagen, obwohl wir kein Geld für Werbung ausgeben“, sagt Krause. Die Leute kämen hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf die Website, manche haben sich sogar von New York aus oder Israel gemeldet. Krause: „Das ist irre praktisch.“
Die Kreuzberger WGCompany ist so etwas wie ein semiprofessionelles Startup-Unternehmen. Krause betreibt hauptberuflich einen Second-Hand-Buchladen. Im Moment arbeiten die drei WG-Freunde umsonst. „Aber wir hoffen, dass das auch mal etwas abwirft.“ Einnahmen seien durch Werbung möglich, sagt Krause. Allerdings sei der WG-Markt eng begrenzt. „So reich wie andere Internetfirmen können wir nicht werden.“ Krauses Problem ist, dass es sich nicht lohnt, im Netz Kleinstbeträge der Kunden einzuziehen. Die Banken verlangten viel zu hohe Gebühren. Zudem würden viele Kunden aussteigen, wenn sie per E-Mail bezahlen sollen.
Auch andere Site-Anbieter bieten einen Umsonstservice, arbeiten aber professioneller: wg-gesucht.de, die-wg-boerse.de und wg-welt.de sind websites, die von Multimedia-Agenturen angeboten werden. Die Agenturen haben meist noch andere Zielgruppensites im Programm und verfügen über Einnahmen durch Bannerwerbung. Für WG-Interessierte bieten sie bundesweit Inserate an. Wg-gesucht.de und die-wg-boerse.de sind wenig strukturierte elektronische Pinnbretter. Der Infogehalt der Inserate unterscheidet sich kaum von denen in den einschlägigen Printmedien. Bei wg-welt.de mit derzeit bundesweit rund 800 Einträgen kann man wie bei WGCompany ebenfalls gezielt auf die Suche nach Wohngemeinschaften oder Mitbewohnern gehen. Eines hebt die WGCompany-Site aber heraus: Unter der Rubrik „Was sonst noch interessant ist“, können WGs oder Suchende so viel über sich schreiben, wie sie wollen.
Vielleicht findet ja Anna zu der Friedrichshainer WG. Sie sucht ein Zimmer mit mindestens 10 Quadratmetern, für maximal 400 Mark. Der Bezirk ist der 27-jährigen Nichtraucherin ohne Kind egal. Ansonsten ist die „Omnivorin“ (Allesfresserin) „wg-trainiert aus einer 13er-wg“. Das hat Konsequenzen: „Was den Schimmelbefall von abzuwaschendem Geschirr angeht, ist meine Toleranzgrenze allerdings relativ schnell erreicht.“ Ein Glück, dass es nicht nur Such-, sondern auch Spülmaschinen gibt.
Internet: www.wgcompany.de, www.wg-welt.de, www.wg-gesucht.de, www.die-wg-boerse.de
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