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Ein alter Krieger für das Pentagon

Mit Donald Henry Rumsfeld nominiert George W. Bush einen ausgesprochenen Befürworter des umstrittenen nationalen Raketenabwehrsystems zum neuen Verteidigungsminister. Der versprochene Ausgleich mit den Demokraten bleibt noch aus

von BERND PICKERT

Als er zum ersten Mal in dieses Amt berufen wurde, da war Donald Henry Rumsfeld der jüngste US-Verteidigungsminister aller Zeiten. Das war 1975, US-Präsident Gerald Ford hatte noch 14 Monate zu regieren, und Rumsfeld war gerade 43 Jahre alt. Jetzt hat ihn der designierte Präsident George W. Bush erneut zum Verteidigungsminister ernannt – ein Job, den so richtig niemand anderes mehr haben wollte.

Denn die wesentlichen Linien der US-Außen- und -Sicherheitspolitik sind durch das Dreieck vom künftigen Vizepräsidenten Richard Cheney, immerhin ein Exverteidigungsminister, dem früheren Generalstabschef Colin Powell, der Außenminister werden soll, und der neuen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice festgezurrt. So sagte der zunächst vorgesehene frühere Senator Daniel Coats nach einem Gepräch mit Bush und Cheney ab. Er hatte mehr Einfluss gefordert, heißt es, als ihm zugestanden worden sei.

Rumsfeld soll eigentlich als neuer CIA-Direktor vorgesehen gewesen sein – er hat es allerdings leichter, sich Respekt zu verschaffen: Rumsfeld war 1962 in den Kongress gewählt worden, hatte sein Mandat 1969 zugunsten des Postens als Leiter des Office for Economic Opportunity unter Präsident Nixon aufgegeben – und in dieser Funktion immerhin dem damals jungen Richard Cheney als Protegé zum Karrierestart verholfen. „Der ehemalige Schützling holt den Mentor zurück“, formulierte gestern die New York Times.

Rumsfeld kommt als gestandener Militärpolitiker in den Job. Doch der Ruf des 68-Jährigen ist jüngeren Datums als seine kurze Amtszeit im Pentagon vor 25 Jahren. Als der republikanisch dominierte Kongress eine Kommission einsetzte, um die umstrittene nationale Raketenabwehr zu diskutieren und ein realistisches Bedrohungsszenario aufzuzeichnen, da wurde Rumsfeld zum Leiter dieser Kommission ernannt. Deren 1998 veröffentlichter „Rumsfeld-Bericht“ war ein militärpolitischer Überraschungsschlag: Entgegen den sicherheitspolitischen Überzeugungen der Regierung Clinton stellte die Kommission fest, „Schurkenstaaten“ wie Iran, Irak oder Nordkorea seien im Prinzip in der Lage, mit Raketen die USA auf ihrem eigenen Gebiet bedrohen zu können. Seither ist dieser Bericht die Grundlage, auf der die Befürworter der in den USA umstrittenen und von den internationalen Verbündeten abgelehnten Idee eines nationalen Raketenabwehrsystems argumentieren.

Kein Wunder, dass Rumsfeld selbst überzeugter Anhänger der Raketenabwehr ist – und dementsprechend gegebenenfalls bereit, andere militärische Vorhaben auf Eis zu legen, um das teure Projekt finanzieren zu können. Rumsfeld werde eng mit seinen Haushaltsplanern zusammenarbeiten, „um sicherzustellen, dass die Raketenabwehr jene Priorität erhält, die wir in künftigen Pentagon-Budgets für angebracht halten“, sagte Bush am Donnerstag.

Damit sind alle führenden Stellen der neuen Regierung mit Befürwortern der Raketenabwehr besetzt, obwohl bislang selbst die Erforschung und Erprobung der möglichen Systeme ein einziger – kostspieliger – Fehlschlag war. Ungeklärt ist zudem, wie die europäischen Verbündeten und Russland zu besänftigen seien.

Nach dem designierten Justizminister John Ashcroft wurde nun der zweite Konservative in ein Schlüsselamt berufen. Nur mit seinen Plänen, auch Demokraten in seine Regierung einzubinden, kommt Bush nicht recht voran, wie er bei einer Pressekonferenz am Donnerstag zugab. Nach dem überaus knappen und umstrittenen Wahlausgang hatte Bush ursprünglich angekündigt, der Versöhnung beider Seiten auch durch die Nominierung von Demokraten für Ministerposten zu dienen.

Bis Ende kommender Woche will Bush sein Kabinett komplett haben: Vom erwarteten Ausgleich zwischen konservativen und moderaten Kräften ist bislang nicht viel zu merken. Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass die Bestätigung der Kabinettsmitglieder durch den Senat Überraschungen mit sich bringt, obwohl die Mehrheitsverhältnisse das bei der Pattsituation von 50 zu 50 zulassen würden.

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