: Verpuffte Gerüchte: Aprill, Aprill
■ Innen-Staatsrat dementiert Bericht über Bordell-Besuche
Die bizarre Atmosphäre erinnert an Barschels Ehrenwort-Erklärung. Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage nahm gestern auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz seinen Staatsrat Wolfgang Prill (beide SPD) vor dem Vorwurf der „Erpressbarkeit“ wegen angeblicher Bordell-Besuche im „Funny Club“ in Schutz. „Ich schließe aus, dass Herr Prill Besucher dieses Bordells ist“, so Wrocklages Ehrenerklärung. Und auch Prill beteuert: „Ich bin noch nie in meinem Leben im Funny Club oder in einem anderen Bordell gewesen.“ Vieles deutet darauf, dass hinter der Bordell-Affäre ein Polizeiskandal schlummert.
„Dieser Politiker ist erpressbar“, titelte gestern das Boulevardblatt Mopo. Der Bericht basiert auf einen Vermerk des Dezernats „Organisierte Kriminalität“ (OK) vom 1. September vorigen Jahres, in dem dessen Leiter Manfred Quetzuweit „eine Information“ über Prill schriftlich fixiert hatte. Danach sei der Staatsrat „regelmäßiger Kunde des Bordells Funny Club“. Der Club ist wegen Schutzgelderpressungen gerade in die Schlagzeilen geraten. Prill käme immer mit dem Wagen seiner Frau und zu Zeiten, zu denen wenig Betrieb sei. Auch gebe es sogar ein Video von seinem „wilden Sex mit zwei Frauen“.
Nach offiziellen Angaben ist Prill am 28. August von Quedzuweit mit den „infamen Gerüchten“ konfrontiert und Wrocklage informiert worden. Daraufhin hatte das „Dezernat Interne Ernittlungen“ (DIE), das Prill direkt unterstellt ist, den Fall übernommen. Ergebnis: An den Gerüchten sei nichts dran. „Es gab mangels jeglicher Tatsachen nicht einmal ein Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft“, sagt Wrocklage. „Würde diesen Gerüchten eine Faktenlage zugrunde liegen, wäre es allerdings ein Hammer“, gesteht Wrocklage ein. Denn Prill und das DIE sind unter anderem für Korruption bei der Polizei zuständig.
Warum der Vermerk jetzt der Presse zugespielt wurde, gibt Rätsel auf. Quedzuweit ist mittlerweile versetzt, DIE-Chef Thorsten Mehles hat den OK-Bereich übernommen. Laut Wrocklage sei es bekannt, dass sich die „Hochkriminalität“ einiger Medien bediene, um die „Schlagkraft“ der Innenbehörde „zu schmälern“. Er denke aber nicht daran, „mir meinen besten Mann von der Seite schießen zu lassen.“
Doch der Vermerk wurde wohl kaum von der Unterwelt lanciert, es sei denn, sie hätte direkten Zugriff auf brisante Akten. Offenkundig stammt der Tipp aus dem Polizeiapparat. „Das“, sagt Wrocklage, „kann ich nicht ausschließen.“
Kai von Appen
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