der fall igor p.
: Drei Senatoren in der Pflicht

Der Fall Igor P. ist kein Fall Schmökel, auch kein Fall Schöttler und im Kern auch keine Frage verfehlter Öffentlichkeitsarbeit. Diese Diskurse über den Ausbruch aus dem Maßregelvollzug sind populistische Verklärungen eines grundsätzlichen Problems. Anhand des ausgebrochenen Vergewaltigers zeigt sich viel mehr, wie drei Senatsverwaltungen einen schwierigen Fall vor sich hergeschoben haben. Die Fragen stellen sich ebenso an Innensenator Werthebach und den Regierenden Bürgermeister Diepgen als Justizsenator.

Kommentar von BARBARA JUNGE

Igor P. wurde als schuldunfähig beurteilt und in den Maßregelvollzug eingewiesen. So weit korrekt. Bereits einen Monat nach diesem Urteil jedoch kommt der Gutachter zu der Einschätzung, dass die Symptome bei Igor P. verschwunden seien. Ein Mann ohne Symptome gehört jedoch nicht in den Maßregelvollzug. Dies hat die zuständige Klinikleitung gesehen. Trotzdem ist nichts passiert. Nach einem gelungen Ausbruch und erfolgreicher Wiederergreifung wird Igor P. erneut im Maßregelvollzug untergebracht. Und obwohl die Klinikleitung nun das Landeskriminalamt über die bestehende Fluchtgefahr informiert und an die Justiz schreibt, der Mann sei dort falsch, reagiert die Justiz nur mit der Beauftragung eines neuen Gutachtens. Der Gutachter jedoch ist mit dem Fall Schmökel befasst und vertröstet auf das Frühjahr 2001.

Mit Fluchtunterbrechungen sitzt ein Straftäter – gegen den ein weiterer relevanter Haftbefehl aus Bayern läuft – seit November 1995 im Maßregelvollzug, obwohl alle Beteiligten wissen, dass er dort nicht hingehört. Doch offenbar sah sich keiner der sachlich wie politisch Verantwortlichen in der Lage oder in der Pflicht, sich dieses heiklen Themas anzunehmen und zu handeln.

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