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Die Leiche im Kofferraum

Eine verfahrene Situation aus der Jugend eines Manns, der den Untergrund ansteuerte

Seit ich denken kann, habe ich das Problem, links und rechts zu verwechseln. Das liegt daran, dass ich Linkshänder bin, und bei Linkshändern sind die beiden Gehirnhälften verdreht, wie man in einschlägigen Publikationen nachlesen kann. Was für fatale Folgen eine solche Behinderung haben kann, musste ich am eigenen Leibe erfahren, als ich – es muss etwa Anfang der Siebziger gewesen sein – während einer etwas heiklen Mission nachts mit dem Wagen unterwegs war, um in den Untergrund abzutauchen.

Ich hatte mich zu jener Zeit politisch etwas zu weit aus dem Fenster gehängt. Daher hielt ich es für sinnvoll, mich ein Weilchen zurückzuziehen. Ich fuhr damals einen gestohlenen, weißen Opel Kadett, den ich sehr liebte und von dem ich noch heute eine Fotografie an meiner Korkpinnwand hängen habe. In jener besagten Nacht also war mir sehr daran gelegen, nicht entdeckt zu werden. Ich hatte auf der Rückbank meines Wagens ein paar Waffen liegen, die wir während mehrerer Straßenschlachten den Bullen abgenommen hatten. Die sollte ich auf Bitten guter Freunde an einen Kumpel, der sich im Untergrund aufhielt, übergeben. Auch fuhr ich ohne Führerschein (ich habe nie einen gemacht) und im Kofferraum lag – Sie ahnen es schon – eine Leiche. Folglich wäre mir eine Polizeikontrolle, deren es in jenen Tagen reichlich gab, ausgesprochen unangenehm gewesen. Deshalb fuhr ich ohne Licht. Es herrschte dichter Nebel, was ich zunächst für einen Vorteil hielt und was sich bald als Nachteil erweisen sollte. Ich konnte nämlich beinahe überhaupt nichts sehen. Ich bin stark kurzsichtig, trug damals aber aus Tarnungsgründen keine Brille. Schon auf dem Weg zum Autobahnzubringer schärfte ich mir ununterbrochen ein: „Links ist die Auffahrt zur Autobahn für mich, rechts ist die Ausfahrt von der Autobahn für die anderen.“ Klar, dass das schiefgehen musste.

Als sich der Zubringer dann in Auf- und Ausfahrt teilte, fuhr ich – wie ich es mir eingeschärft hatte nach links. Das wunderschöne Gefühl des Glücks und des Stolzes darüber, dass ich es geschafft hatte, links und rechts diesmal nicht zu verwechseln, wich bald einer ersten Verwirrung. Es dauerte keine drei Minuten, bis mir ein entgegenkommendes Fahrzeug laut hupend erst im letzten Augenblick auswich. „Idiot!“, fluchte ich noch, da rasierte mir schon der nächste Wagen den rechten Seitenspiegel ab. Ich war gezwungen, mich ganz links an den Straßenrand zu quetschen. Als dann auch noch ein drittes Auto in Gegenrichtung an mir vorbeiraste, glaubte ich nicht mehr an einen Zufall. Mir ging ein Licht auf: links und rechts hatte ich tatsächlich richtig ausgemacht, aber ich hatte die Auf- mit der Ausfahrt verwechselt. Ich war der Geisterfahrer, nicht die anderen! Als mir das bewusst wurde, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Mir wurde klar, dass ich vieles falsch gemacht hatte. Ich bog in die nächste Polizeizentrale ein und bat um Verzeihung. Da war ich aber angeschmiert. Die Bullen wollten nämlich gar nichts von mir wissen. Ich sollte einfach weiterfahren. Entrüstet kletterte ich aus dem Auto und schrie: „Ich bin ein Geisterfahrer, und ich habe eine Leiche im Kofferraum!“ – „Das haben doch heutzutage alle“, konterten die Bullen eiskalt und winkten mich durch. War das denn noch Demokratie?

Heute bin ich froh, dass alles so gekommen ist. Nach diesem Vorfall lebte ich ein paar Jahre im Untergrund. Es hätte aber auch alles ganz anders ausgehen können. Heute führe ich ein ruhiges und beschauliches Leben. Ja, es waren wilde Jahre – Jugendjahre. GARCONNE MANNSTEIN

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