: Erregt wird nicht
Bei der ARD gerät „Die schönste Sache der Welt“ stets künstlerisch, brav und platt. Heute serviert Rosa von Praunheim mit „Can I be your Bratwurst, please“ (21.45 Uhr) immerhin etwas Pepp
von PHILLIPP SCHULZ
„Wo soll ich dich verbrennen“, fragt das Callgirl den 70-jährigen New Yorker. Und: „Can I be your Bratwurst, please“, fragt der Kellner den Pornostar Jeff Stryker.
Das sind Fragen! Gestellt werden sie in erotischen Kurzfilmen öffentlich-rechtlicher Machart, immer freitags um 22.45 Uhr im Ersten. Im schrägsten Beitrag der Reihe serviert Rosa von Praunheim heute Abend einmal keine Berliner Bettwurst. Vielmehr verspeisen die Bewohner eines Hotels an ihrer Weihnachtstafel einen üppig bestückten Durchreisenden. Ein knallbuntes, tuckiges Spiel mit pornografischen Klischees.
Ziegler, die als erfolgreichste deutsche Filmproduzentin gilt, bestellt seit 1993 ihre „Erotic Tales“ bei Regisseuren wie Detlev Buck oder Aki Kaurismäki. Bedingung: Low Budget auf 35-Millimeter-Film, maximal 30 Minuten Länge. Ihr Lieblingsprojekt, sagt die 55-Jährige.
Wenig Prickeln, dafür viele geschmäcklerische Gutenachtgeschichten und bemüht anspruchsvolle Wäschefantasien erzählen diese „Erotic Tales“, die im Ersten familienfreundlicher „Die schönste Sache der Welt“ betitelt sind. Öffentlich-rechtliche Bedingung: Erregt wird nicht – höchstens ganz kurz. Hier einige Episoden im Schnelldurchlauf: Verstoßene asiatische Braut, mit Korsage, Strapsen und Metaphern schwer behängt, stakst auf hohen Schuhen Marke Sexy anmutig durch japanischen Morast, bis Hal Hartley ihr einen Kimono spendiert (9. März). Ein „All American Teen Babe“ will die eigene Entjungferung auf Video dokumentieren (16. 3.). Die verlassene Leuchtturmwärterin tröstet sich mit einem Eiszapfen, während sich der untröstliche Geliebte im fernen Australien mit Hilfe schmelzender Eisblöcke erhängt. „On Top down under“ nennt Islands Regiestar Fridrik Thór Fridriksson den tieftraurigen Selbstmord (2. 2.).
Wenig überraschend: Fast alle Regisseure sehen in jungen Frauen den Inbegriff einer erotischen Macht, die offenbar nur noch in Herrschaftskategorien geschildert werden kann. Männer stehen dem meist wenig souverän gegenüber. Sie werden von den Frauen benutzt oder gedemütigt: Die heiße Nacht eines 70-Jährigen eröffnet das Callgirl mit einer Zigarette, die sie auf seiner Brust ausdrücken will. „Die Nachtschwester“ (9. 2., Regie: Bernd Heiber) schnappt sich einen Loser für ihre Befriedigung.
Derlei platte Geschlechterdefinitionen machen Erotik zur Einbahnstraße. Ihre befreiende, in letzter Konsequenz sogar zerstörerische Kraft wird in das Spitzenkorsett erwünschter Verhaltensmuster gezwängt. Nicht, dass wir im Ersten nicht auch geballte Männlichkeit zu sehen bekämen. Den ebenso großen wie schlaffen Penis des Pornostars Stryker enthält uns Rosa von Praunheim selbstverständlich nicht vor. Doch die Macht des Eros, dem nach altgriechischer Vorstellung selbst die Götter unterworfen sind, sie wird wie zum Hohn all dieser künstlerischen Beschwörungen nicht fühlbar.
Privatsender von RTL 2 bis Vox vermarkten so genannte Softcore-Filme unter dem Label Erotik. ARD und ZDF müssen hier passen: Mit ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag sind die Stöhn- und Rammelstreifen nicht vereinbar. Um der Konkurrenz überhaupt etwas entgegensetzen zu können, verkauft man biedere TV-Movies mit erotischer Aufschrift. Das Primetime-Programm im Januar: „Fremde Frauen küsst man nicht“ (ARD), „Ich schenk dir meinen Mann 2“ (ZDF). Deftiger titelt RTL: „Schlaf mit meinem Mann“. Der Inhalt hier wie dort: Langeweile. Gemessen an dieser Durchschnittsware markieren die erotischen Freitagshäppchen doch einen gewissen Fortschritt. Und wem erst nach so einer knappen halben Stunde überhaupt warm wird, dem serviert Arte am kommenden Dienstag sieben der zwölf Episoden hintereinander – „Erotic Tales“ als Themenabend (23. 1., 21.45 Uhr).
Und auch wenn die Reihe von einer Produzentin betreut wird: Von den zwölf Beiträgen der neuen Staffel stammt nur ein einziger von einer Frau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen