: Backofen, Stufe zwei, Unterhitze
Eine runderneuerte, aber immer noch unspektakuläre Barbara Rittner erreicht bei unmenschlichen Temperaturen das Viertelfinale der Australian Open und trifft nun ausgerechnet auf ihren glamourösen Gegenentwurf Anna Kurnikowa
MELBOURNE taz ■ Als Barbara Rittner (27) vor einem Jahr in Melbourne in der ersten Runde verlor, dachte sie daran, den ganzen Kram hinzuschmeißen. Wieder mal hatte sie starke Schmerzen im rechten Fußgelenk, an dem sie schon einmal operiert worden war. Sie wusste, eine weitere Operation würde folgen, dann wieder Reha, die Pause danach und die ganze Plackerei, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch sie sie legte die Rücktrittsgedanken zu den Akten, flog nach Bali, um dort ihren Freund Michael Diehl zu heiraten, ließ sich danach operieren und war im Mai wieder zur Stelle.
Nach allem, was nun in dieser Woche in Melbourne passiert ist, kann man sagen: Es hat sich gelohnt. Nach drei Siegen, zuletzt gestern 6:1, 3:6, 6:1 gegen Ruxandra Dragomir aus Rumänien, steht Rittner im Achtelfinale der Australian Open, und das ist einer der größten Erfolge ihrer gut zehn Jahre dauernden Karriere. Zwar hat sie von einer günstigen Auslosung profitiert, aber das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Die neue Rittner spielt zwar immer noch unspektakuläres und solides Tennis, ist aber sichtlich austrainierter als früher. Und gegen die talentierte Dragomir zu gewinnen war schon nicht ganz leicht, die schwerste Prüfung aber kam nicht von vorn, sondern von oben und unten. Es rauchte der Kopf, es qualmten die Füße, es war mächtig heiß. Und während eines Spiels, so Rittner, komme noch die Anspannung hinzu, und die heize einem zusätzlich ein. Backofen, Stufe zwei, Oberhitze, Unterhitze.
Sie überwand den Frust über den verlorenen zweiten Satz, der mit einer Fehlentscheidung zu ihren Ungunsten beendet worden war, sie kühlte sich in der erlaubte Hitzepause nach diesem Satz ein paar schattige Minuten lang in der Kabine ab, und danach ließ sie der Gegnerin keine Chance. Das gefiel den Fans an Platz sechs. Das wird im nächsten Spiel ein wenig anders sein, wenn sie am Sonntag gegen Anna Kurnikowa antritt, der auch hier in Melbourne die Fans in Scharen hinterher rennen.
Damit, versichert Rittner, habe sie kein Problem. „Ich krieg’ sicher keine Depressionen, wenn die Leute alle für Anna sind“, sagt sie. „Sie ist einfach eine gute Erscheinung, aber sie ist auch eine gute Tennisspielerin, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ein Turnier gewinnt.“ Kurnikowa ist zwar die Favoritin, aber zum einen leidet sie unter einer Bauchmuskelzerrung, und sie hat zum anderen keines ihrer bisherigen Spiele überzeugend gewonnen.
Rittner aber sagt, es gehe ihr gut. Sie sei fit wie selten und mit 27 habe sie nicht das Gefühl, ihre Reserven seien schon ausgereizt. Warum soll sie nicht am Sonntag auf einem showcourt vor Tausenden von Kurnikowa-Fans ein Spiel machen, das sie ins Viertelfinale bringt? Zum ersten Mal nach mehr als zehn Jahren und genau ein Jahr, nachdem sie dachte: Ich glaube, das war’s.
DORIS HENKEL
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