Bach-Choräle und eine Leiche

Bei seinem Deutschlandbesuch verspricht der ukrainische Präsident Leonid Kutschma, die Ermittlungen im Fall des ermordeten Journalisten Gongadse voranzutreiben

BERLIN taz ■ Die deutsch-ukrainischen Beziehungen sind offensichtlich so gut wie lange nicht mehr. Der Grund: Die Rückgabe der Beutekunst. Deren erstes Stück aus dem Archiv des Komponisten Carl-Philipp Emanuel Bach präsentierte Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern anlässlich einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Leonid Kutschma in Berlin der Öffentlichkeit. Überdies habe man sich darauf verständigt, so Schröder, die Zusammenarbeit im energiepolitischen Bereich zu verstärken.

Für den politischen Skandal um den wahrscheinlich getöteten Journalisten Georgij Gongadse, in den Kutschma verwickelt sein soll, hatte der Kanzler gerade mal einen Satz übrig: Kutschma habe versprochen, die Aufklärung des Falls voranzubringen. Der ukrainische Staatschef ging in die Offensive. Er selbst sei unzufrieden mit den Ermittlungen und werde den Fortgang forcieren. Zugleich wies er darauf hin, dass die Krise von einigen Kräften in der Ukraine genutzt werde, um den Reformprozeß zum Erliegen zu bringen und die Bevölkerung zu verunsichern. Zu guter Letzt stilisierte er sich noch zum Garanten der Menschenrechte, dessen Aufgabe es sei, die Pressefreiheit sicherzustellen.

Der Fall Gongadse erschüttert die Ukraine seit Monaten. Der Online-Journalist war im September vergangenen Jahres in Kiew verschwunden. Zwei Monate später war in der Nähe der Stadt Tarascha eine Leiche ohne Kopf gefunden worden. Im Dezember hatte der Sozialist Alexander Moroz Gesprächsmitschnitte öffentlich gemacht, aus denen hervorgehen soll, dass Kutschma den Mord an Gongadse mit in Auftrag gegeben habe.

Vor zwei Wochen verkündete der Chefstaatsanwalt Mykhailo Potebenko die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchungen. DNA-Tests zufolge soll es sich bei dem Toten zu 99,6 Prozent um Gongadse handeln, aber Gewissheit gebe es nicht. Dennoch scheint man es in Kiew eilig zu haben, die Akte Gongadse zu schließen. So berichtete dessen Mutter jüngst im Parlament, sie sei massiv unter Druck gesetzt worden, den Leichnam so schnell wie möglich beerdigen zu lassen. BARBARA OERTEL