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Überzeichnung statt Analyse

„Dr. T and the Women“ ist Robert Altmans zweiter Film über eine Upperclass-Hochzeit

Robert Altman, Dekonstrukteur amerikanischer Mythen, Porträtist US-archetypischer Sittenbilder, hat mit „Dr. T und die Frauen“ so etwas wie ein Remake seines 1977 entstandenen Films „A Wedding – Die Hochzeit“ abgeliefert. Das Fest, das eigentlich zwei Familien zusammenführen soll, offenbarte in „A Wedding“ nur die Fronten zwischen ihnen und damit die Verlogenheit und Überlebtheit einer ganzen Klasse. Die Musikalität, mit der Altman dieses Mosaik aus Hochzeitsgästen, -vorbereitungen und -ritualen zusammensetzte, machte den Film zu einem dramaturgischen Wunderwerk.

Auch „Dr. T and the Women“ spielt in der Highsociety, gruppiert sich um eine Hochzeitsgesellschaft und ist ein Ensemblefilm rund um Richard Gere in der Rolle des Gynäkologen Dr. T. In den musikberieselten Shoppingmalls schlägt das süße Leben der Frauen von Dallas auf Dauer in Regression um, und Dr. T.s Ehefrau (Farah Fawcett) infantilisiert zusehends – bis hin zum Rückzug in die Psychiatrie.

Veränderungen scheint auch die nächste Generation nicht mit sich zu bringen, das zeigt schon die Kleiderordnung. So betritt die Schwägerin (Laura Dern) mit ihren Kinderpüppchen die Szene stets im quietschbunten Einheitslook.

Doch irgendetwas ist in Altmans Sittenbild über die Abgründe des Kapitalismus außer Takt geraten. Der präzise Rhythmus, mit dem er vor über zwanzig Jahren in aller Selbstverständlichkeit Katastrophen, Perversionen und Frustrationen abbildete, scheint ihm abhanden gekommen, und die Figuren seines neuen Films wirken ausgestellt und überzeichnet. „Dr. T und die Frauen“ – eher hysterischer Ringelreigen als hellsichtiges Soziogramm. ANKE LEWEKE

„Dr. T and the Women“. Regie: Robert Altman. Mit: Richard Gere, Farah Fawcett, Laura Dern u. a., USA 2000, 122 Min.

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