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Salz in der Hand, Asche auf der Stirn

Die Performancegruppe „pakt“ will Livekunst in Berlin populär machen. Warum nicht auch auf Betriebsfesten?

Ein Filmprojektor strahlt Licht auf eine weiße Wand. Davor hat sich Ulrich Lepka postiert, wirft einen Schatten und zeichnet seine Umrisse mit einem Kohlestift nach. Für seine Performance „Time Tunnel Scanning“ verändert der Nürnberger seine Position immer wieder ein wenig und bringt so immer mehr Schattenrisse auf die Wand, die vor lauter Strichen bald nicht mehr weiß ist, sondern immer schwärzer wird. Ein Spiel mit Licht und dessen Schattenseiten.

„Licht Echt“ war der Abend im Projektraum in der Rosa-Luxemburg-Straße überschrieben, an dem sieben Performancekünstler auftraten: Licht gilt als Basis des Lebens, repräsentiert in vielen Kulturen das Göttliche, wird auch sonst zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Was liegt da näher, als aus Sicht der Performance den Begriff zu ergründen?

Das sieht zum Beispiel so aus: Zwei Damen, das Berliner Duo „Tafel 7“, schreiten in Krankenschwesterntracht durchs Publikum. Jeder Gast bekommt einen roten Punkt aus Asche auf die Stirn gedrückt. „Kunst gleich Heilung“, intonieren sie dazu.

Eine Performance später entledigt sich Anja Ibsch erst ihrer schwarzen Kleidung und schlüpft in ein baumwollenes Gewand. „Den Stoff hat meine Ururgroßmutter gewebt“, erzählt sie und schreibt „mehr Licht“ auf den Boden, legt sich in Engelsmanier nieder und ordnet 32 Grablichter um ihren Körper. Die zündet die 32-Jährige nicht an, geht stattdessen nach draußen ins Dunkle und fackelt 32 Streichhölzer ab. Hell und Dunkel dienen der Auseinandersetzung mit dem Tod. „Was hinterlassen wir, wenn wir aus dem Licht, aus dem Leben gehen?“, fragt sich Anja Ibsch, die in Berlin und Köln lebt und zu den Mitbegründerinnen von „pakt“ gehört.

Die im August letzten Jahres gegründete Gruppe will das vorhandene Potenzial der Performancekunst in Berlin stärker als bislang konzentrieren und kanalisieren, „um den Begriff der Performancekunst entgegen seinem inflationären Gebrauch anspruchsvoll im Kunstbetrieb zu positionieren. In Köln gibt es so eine Organisationsform schon längst.“ pakt-Mitbegründer BBB Johannes Deimling schätzt, dass in Berlin rund 100 Performancekünstler arbeiten. „Die wenigsten können nur von ihrer Kunst leben“, weiß der Berliner, der an der Universität für Kunst und Gestaltung Zürich Performancekunst unterrichtet. Für pakt gibt es viel zu tun: Repräsentation nach außen, regelmäßige Treffen und Veranstaltungen, News Letter und Homepage, Archiv und Forschung, Vernetzung mit anderen Performanceorganisationen in und außerhalb Deutschlands.

Zu kämpfen haben die Performanceleute auch mit der Ignoranz des Feuilletons. Deshalb will Ingolf Keiner, als Dritter im pakt-Bund, „Wert und künstlerischen Inhalt von Performance in die Köpfe bringen und damit als eigenständige Kunstform stark machen“.

Ein praktisches Ergebnis ist eine Reihe von Performanceabenden in den letzten Monaten an zwar wechselnden Orten, aber mit wiedererkennbarem Format. Auffälligste Neuheit im Gegensatz zur Mehrzahl anderer Veranstaltungen: Man entrichtet ein paar Mark Eintritt. „Wir wollen die auftretenden Künstler auch bezahlen“, sagt BBB Johannes Deimling, der sich vorstellen kann, dass Performances themenorientiert sozusagen als Gesamtpaket für völlig verschiedene Events geschnürt werden: „Warum lädt sich eine Brauerei für ein Betriebsfest nicht ein paar Performancekünstler zum Thema Hopfen ein?“

Der 31-Jährige tritt morgen Abend beim pakt-Performanceabend zum Thema „Salz Arm“ auf. Dort will er daran erinnern, dass Salz, heute für ein paar Groschen zu haben, einst mit Gold aufgewogen wurde. Deshalb hält er Salzstreuer in den Händen und wird zu einer live gesungenen Liebesarie tanzen – bis er umfällt.

ANDREAS HERGETH

„Salz Arm“, morgen, 20 Uhr, Projektraum Rosa-Luxemburg-Straße 3, Mitte; www.satt.org/pakt

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