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Chaostage auf Schwäbisch

Nach dem Ausscheiden im Uefa-Cup bei Celta de Vigo gibt der abstiegsbedrohte VfB Stuttgart bekannt, dass Ralf Rangnick nicht mehr länger Trainer dort sein will

BERLIN taz ■ Zu guter Letzt muss ihnen in all dem Chaos irgendwie auch noch die zeitliche Abfolge durcheinander geraten sein beim VfB Stuttgart. So richtig sicher jedenfalls war sich gestern ganz offenbar niemand mehr darüber, wann Ralf Rangnick sein Amt als Cheftrainer des schwäbischen Bundesligisten definitiv zur Verfügung gestellt hatte. Bei einem langen und letzten Gespräch mit VfB-Manager Rolf Rüssmann am frühen Freitagmorgen um 4.30 Uhr – und somit nur viereinhalb Stunden nach der 1:2-Niederlage und dem damit verbundenen Aus im Uefa-Cup bei Celta de Vigo – habe sich Rangnick erklärt, hieß es bei der gestrigen Abschieds-Pressekonferenz – und somit also offiziell. Dem entgegen aber steht immerhin jene Version, nach der der Trainer bereits nach der Heimniederlage gegen Hertha BSC Berlin den Krempel hingeschmissen habe – und die vom Manager zunächst zähneknirschend bestätigt wurde. „Ralf Rangnick kam am Dienstagmorgen zu mir und hat gesagt, er glaube nicht mehr, dass er die Situation noch im Griff hat. Dann musste ich nach einem neuen Trainer suchen“, wird Rüssmann jedenfalls zitiert. Zu Tage kam dies nur – und durchaus typisch für den VfB derzeit – weil ein Mitglied des vom Manager vertraulich informierten Führungsgremium des Vereins das Geheimnis ausplauderte. Dass Rangnick gegen Vigo überhaupt noch auf der Bank saß, war somit wohl nur eine letzte Bitte des Managers gewesen. „So schnell konnten wir nichts tun“, begründete der das ungewöhnliche Vorgehen.

Dabei war Rüssmann in den letzten Tagen ganz offenbar nicht untätig gewesen. Bereits am Montagabend soll der 50-Jährige beim Diner mit Alttrainer Otto Rehhagel in der Philharmonie zu Filderstadt gesehen worden sein, ganz offenbar aber fiel die Wahl am Ende dann doch auf Felix Magath, vor dreieinhalb Wochen erst bei Eintracht Frankfurt unehrenhaft entlassen. „Wenn wir uns abschließend finanziell einigen können, macht er es“, gab Rüssmann gestern bekannt. Angedacht ist offensichtlich eine Zusammenarbeit bis Saisonende, für die Zeit danach, so jedenfalls wollen es die Stuttgarter Nachrichten wissen, soll der VfB an Unterhachings Trainer Lorenz-Günther Köstner interessiert sein.

Wie auch immer, wenigstens Ralf Rangnick hat die Chaostage im Schwabenland nun hinter sich. Denn nur am Trainer mit dem Intellektuellen-Touch wird es wohl kaum gelegen haben, dass der VfB derzeit auf Tabellenrang 17 geführt wird – und somit ganz nahe am Abgrund. Dafür spricht auch, dass das Echo auf Rangnicks Ende im VfB-Forum durchaus geteilt ausfällt. „Endlich ist der Versager weg!“, steht dort ebenso zu lesen wie „Er ist ein wirklich guter Trainer. Er hatte nur ein Problem in Stuttgart: die Stars.“

Dass Rangnick mit dem Bulgaren Balakow durchaus seine Probleme hatte, ist längst republikweit kein Geheimnis mehr; dass er im andauernden Machtkampf mit dem divenhaften Kicker von der Vereinsführung kaum Rückendeckung erfuhr, darf dabei aber ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Letztendlich war gerade dort das Chaos in den zurückliegenden Monaten am größten: Zunächst wollte der mit 30 Millionen Mark verschuldete Verein keinen Nachfolger für seinen zum DFB flüchtenden Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder finden, dann bekriegten sich mehr oder weniger öffentlich Sportdirektor Karlheinz Förster und der Marketingbeauftragte Hansi Müller. Beide haben sie hingeworfen. So wie jetzt auch Rangnick. FRANK KETTERER

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