Akteneinblick für jedermann

Bundesregierung plant weitgehendes Einsichtsrecht für Bürger. Gesetzentwurf bereits in Ressortabstimmung

BERLIN taz ■ Im vergangenen Jahr sorgte eine Anfrage in Brandenburg für Aufregung: Das „Deutsche Büro für Menschenrechte“ verlangte Akteneinsicht zu Stichworten wie „Psychogruppen“. Hinter dem unverdächtigen Namen verbarg sich die Sekte „Scientology“, die Behörden ausspionieren wollte. Prompt forderte die Landes-CDU, das 1998 festgeschriebene Recht auf Informationsfreiheit für Bürger einzuschränken. Sie kam nicht durch. Und die rot-grüne Bundesregierung hält an ihrem Koalitionsversprechen einer „gläsernen Verwaltung“ fest. Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums befinde sich in der Ressortabstimmung, bestätigte ein Sprecher. Bundesbehörden sollen jedem Bürger auf Antrag „Akten, Schriftstücke, Magnetbänder, Disketten, Filme, Fotos und Filmbänder“ zugänglich machen. Ausnahme: geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Streitfälle soll der Datenschutzbeauftragte regeln. Details nannte der Ministeriumssprecher nicht. Noch gebe es keinen Termin für die Behandlung im Kabinett. Wegen des zu erwartenden Widerstands der Länder soll das Gesetz nur für Bundesbehörden gelten.

Die Idee der Aktenöffnung ist nicht neu. 1997 scheiterten die Grünen an der Union. Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein führten das Gesetz im Alleingang ein. Dabei ist es nicht unumstritten: Seit der „Freedom of Information Act“ 1966 in den USA eingeführt wurde, durchforstet die Opposition vor jeder Wahl Steuererklärungen und Gerichtsakten der Gegenkandidaten nach belastendem Material.

In Deutschland soll das Persönlichkeits- über dem Informationsrecht stehen. Das dürfte Scientology freuen. In eigener Sache hält die Sekte wenig von Transparenz. Vergeblich verlangte sie, FBI-Akten über Gründer L. Ron Hubbard aus dem Internet zu entfernen. NM