: Wie simuliere ich Klimaschutz?
von RALF GEISSLER, NICK REIMERund BEATE STRENGE
Diesmal tagte die UN-Maschinerie in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Auch hier ging es um das Klima. Vertreter aus 85 Staaten nahmen daran teil. Die taz offerierte im Vorfeld sieben definitive Schritte, die aus dem zähen Ringen um mehr Klimaschutz ein vielvölkerfreundliches Wischiwaschi machen – die UN hat sie offenbar pflichtschuldig befolgt. Unsere Vorschläge:
1. Ignorieren Sie frühere Erkenntnisse.
Veröffentlichen Sie den dritten Teil Ihres UN-Berichtes nicht etwa – wie allgemein vermutet werden könnte – als eine politische Folgerung aus den alarmierenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Klimawandel, die Sie in den ersten beiden Teilen veröffentlicht haben. Lassen Sie die aktuelle Zusammenfassung von Maßnahmen und zu erwartenden Kosten zur gleichen Zeit wie die wissenschaftlichen Studien erstellen – macht ja nichts, wenn sie erst später fertig wird. Dass in ihren früheren UN-Berichten von Januar und Februar Wissenschaftler vorhergesagt hatten, dass sich die Erdatmosphäre noch schneller erwärmt als bisher angenommen – in den nächsten hundert Jahren um 1,4 bis 5,6 Grad –, muss Sie in diesem Zusammenhang nicht kümmern. Auch nicht die Folge daraus: dass der Meeresspiegel zwischen 11 und 88 Zentimeter steigen wird. Und wenn der Chef der UN-Umweltbehörde Unep, Klaus Töpfer, daraufhin an alle Staaten appelliert, drastische Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen – lassen Sie den doch einfach mal reden. Passiert schon nichts.
2. Veröffentlichen Sie Ihren Bericht immer erst nach der Klimakonferenz.
Nur Uneingeweihte und Pünktlichkeitsfanatiker meinen, dass Ihr Bericht schon vor der Klimakonferenz in Den Haag vom 13. bis 24. November hätte fertig sein müssen. Ganz im Gegenteil: Sie taten gut daran, sich auch mit den ersten beiden Teilen des UN-Berichts Zeit zu lassen. Denn der Bericht hätten die dort anwesenden Regierungsmitglieder doch nur beunruhigt. Gut also, dass der erste Teil erst im Januar erschienen ist – zwei Monate nach der Klimakonferenz. Damit hatten alle ihren Frieden. Und so mussten sich die dort anwesenden Regierungsmitglieder auch nicht darauf darauf einigen, die Treibhausgase wie in Kioto vorgeschlagen bis zum Jahr 2010 um 5 Prozent zu reduzieren. Bedenken Sie: Wäre vor der Konferenz den Teilnehmern die Brisanz des Klimawandels noch einmal deutlich gemacht worden, wäre sie wahrscheinlich anders ausgegangen. Und das wollte doch niemand ernsthaft.
3. Bleiben Sie so unverbindlich wie möglich.
Am besten lassen Sie möglichst viele Staaten mit möglichst unterschiedlichen Interessen miteinander konferieren. Denn merke: Wenn 85 Staaten mit unterschiedlichen Entwicklungsstandards sich auf etwas einigen sollen, kommt nur der kleinste gemeinsame Nenner heraus. Halten Sie sich nicht mit panischen Forderungen nach Dringlichkeit und akutem Handlungsbedarf auf. Schreiben Sie lieber altbekannte Erkenntnisse nochmal auf, da hat jeder was davon: Erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Biomasse sind gut. Mehr Erdgas nutzen und weniger Kohle wäre auch nicht schlecht. Aufforstung und Landwirtschaft ist auch schön, denn die bindet durch das Pflanzenwachstum CO2. Wärmedämmung und alles, was sonst den Energieverbrauch minimiert, Brennstoffzellen eingeschlossen, begrüßen Sie ganz herzlich.
4. Hören Sie auf Amerika.
Amerika ist unser Freund und Vorbild. Und Amerika findet immer gute Gründe, keine Energie zu sparen. Sei es das Wirtschaftswachstum oder die Notwendigkeit von Klimaanlagen bei 25 Grad. Und schließlich müssen auch die Erdöl exportierenden Länder von etwas leben. Folgerichtig wehrten sich auf allen Klimakonferenzen die Regierungen der USA, der Opec-Staaten und Australiens gegen eine vorschnelle Einigung auf Maßnahmen im Klimaschutz. Klar, dass die USA den dritten Teil des UN-Klimaschutzberichts nicht unterschrieben hätten, wenn konkrete Handlungsaufforderungen dringestanden hätten. Schlau.
5. Verstecken Sie Ihre guten Ansätze zwischen viel Papier.
Damit Ihr Klimaschutzbericht mindestens eintausend Seiten stark wird, lassen Sie möglichst viele Experten möglichst lange daran arbeiten – wie wäre es mit drei Jahren? Dann haben Sie genug Material, um die wenigen interessanten Thesen darin gut zu verstecken: Dass die klimaschädigenden Treibhausgase bereits mit den vorhandenen Technologien verringert werden könnten und die Kosten dafür gering wären, muss ja niemandem sofort ins Auge springen. Dass man, um die Forderungen des Protokolls von Kioto zu erfüllen, in den reichen Ländern nur 125 Dollar pro Einwohner aufwenden müsste, interessiert doch niemanden. Die Kosten, die entstehen könnten, wenn nichts gegen die Erderwärmung und die vorgesagten Katastrophen getan wird, lassen Sie am besten gar nicht erst errechnen. Die sind vermutlich deutlich höher, und das will doch niemand hören.
6. Feiern Sie Ihren Bericht wie einen Erfolg.
Auch wenn Sie nicht viel Brisantes zu sagen haben, müssen Sie die Veröffentlichung ihrer Studie als eine Revolution ankündigen. Und wenn die Katze dann aus dem Sack ist und alle gelangweilt nicken, feiern Sie ihren Sieg über alte Denkmuster.
7. Starten Sie dann einen „Aufruf an die Regierungen der Industriestaaten“.
Dafür eignet sich am besten ein Greenpeace-Klimaexperte wie Karsten Smid. Nennen Sie Ihren UN-Klimaschutzbericht dann „Summary for policy-maker“. Tun Sie so, als sei das eine Handlungsanweisung für die Regierungen der Welt. Keine Sorge. Es wird wenig passieren. Denn natürlich wurde der Bericht von den 85 Teilnehmerstaaten ordentlich beraten und ordentlich abgestimmt. Das Ergebnis lassen Sie dann auf der nächsten ordentlichen Konferenz ordentlich beraten. Einen Termin haben wir schon mal für Sie vereinbart: vom 16. bis 27. Juli in Bonn.
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