AUCH MIT NEUEM TRANSFERSYSTEM BLEIBT DER FUSSBALL RUND: Die Apokalypse fällt aus
Gesetze müssen auch für den Fußball gelten, lautete in den letzten Monaten der markige Kampfruf der EU-Kommission in Gestalt ihres Oberkommissars Mario Monti. Seit Montag heißt es: Gesetze müssen auch für den Fußball gelten – aber nur ein kleines bisschen. Ob es nun dem öligen Charme des Fifa-Chefs Sepp Blatter geschuldet war, der herzlichen Jovialität des Uefa-Präsidenten Lennart Johansson oder dem Kriegsgeschrei der großen europäischen Vereine, die mit einer Prozessflut drohten – unbestreitbar ist, dass die EU-Vertreter mächtig einknickten. Die Neuregelung des Transfersystems, die am Montag in Brüssel in Grundzügen festgeklopft wurde, ähnelt fatal der sprichwörtlichen Maus und ihrem kreißenden Berg.
Natürlich schreien die Vertreter der großen Klubs nach wie vor Zeter und Mordio, weil Spieler ihre Fünfjahresverträge nun schon nach zwei oder drei Jahren kündigen können, und die internationale Spielergewerkschaft grollt, weil es nichts wurde mit dem von der EU lange Zeit propagierten einjährigen Kündigungsrecht. Ansonsten aber herrscht große Zufriedenheit, vor allem bei den Vertretern der Fußballverbände, die an Extrabehandlung herausholten, was herauszuholen war. Dies trotz einer Verhandlungsführung, die kaum hätte dilettantischer sein können.
Ähnlich wie beim Bosman-Urteil, das den Profisportlern 1995 einen Anflug von Vertragsfreiheit verschafft hatte, war auch diesmal die ganze Palette der Funktionärs-Ignoranz zu bewundern: zunächst das beharrliche Totstellen, nachdem die EU schon vor zwei Jahren eine Reform angemahnt hatte, die mit unflätigen Beschimpfungen garnierte Entrüstung über fußballfeindliche Ignoranten in Brüssel, das Beschwören von apokalyptischen Szenarien und schließlich die mit Drohgebärden angereicherte helle Panik. Kein Wunder, dass unter diesen Umständen die alten Rivalen Blatter und Johansson um die Wette strahlten, als sie geschafft hatten, was lange wie die Quadratur des Kreises schien: eine Regelung, die vielleicht die gröbsten Auswüchse des Transfersystems beseitigt, ansonsten aber schön alles beim Alten lässt. MATTI LIESKE
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