Tagung zu Ess-Störungen: Ess-Störungen nehmen deutlich zu
■ Tagung zu Ess-Störungen / Bremer Modell / Forderung nach Beratungsstelle
Jeden Tag ein bisschen weniger, ist die Devise vieler essgestörter Mädchen und vermehrt auch Jungen. Familie, Freunde und Bekannte müssen meist hilflos zuschauen, wie sich die Kranken fast zu Tode hungern. Mit einem Aufenthalt in einer Klinik und einer – oft erzwungenen – Gewichtszunahme ist das Problem nicht vom Tisch. Oft liegen Auslöser in der Familie.
Bundesweit nimmt die Diagnose „Ess-Störung“ zu, so der Arbeitskreises „Ess-Störungen“ am Landesinstitut für Schule, der eine zentrale Bremer Beratungsstelle fordert. Für die zweitägige Konferenz Ende letzter Woche am Zentralkrankenhaus Ost musste vielen TherapeutInnen, MedizinerInnen und Angehörigen wegen Platzmangel abgesagt werden.
Ein Thema der Tagung: Das sogenannte „Bremer Modell“. Eine therapeutisch begleitete Wohngemeinschaft bietet Essgestörten nach dem Klinikaufenthalt und der ersten erfolgreichen Gewichtszunahme ein Zuhause. Wichtig dabei: Die Einzeltherapie wird bei einem ambulanten Psychologen fortgesetzt. Außerdem besuchen die BewohnerInnen Gruppensitzungen.
In Bremen wird das Modell, das inzwischen schon in vielen anderen Städten Nachahmung gefunden hat, seit über zehn Jahren vom SOS-Kinderdorf durchgeführt. In einem Haus in der Bremer Neustadt wohnen zwölf Suchtkranke – die meisten von ihnen essgestört – unter der Obhut von vier PädagogInnen. Diese Wohnmöglichkeit soll auch vermeiden helfen, dass die PatientInnen schutzlos in ihr altes Umfeld zurückgestoßen werden, betonte Urte Seidel, eine der ambulanten Psychologinnen.
Vor der Aufnahme muss die Patientin jedoch sicher stellen, dass sie die Kosten von monatlich 2.400 Mark aufbringen kann – und monatelange Aufnahmegespräche überstehen. Das sei deshalb so wichtig, erklärt Günter Kadisch vom SOS-Kinderdorf, weil die PatientInnen sich zu einer aktiven Teilnahme an der Therapie verpflichten müssen. Normalerweise sollten sie mindestens ein Jahr in der betreuten WG verbringen, die meisten PatientInnen bleiben jedoch zwei bis drei Jahre. VvO
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