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Haste ma'nen Pass?

Trotz Liberalisierung der Vorschriften: Ausländerbehörde verweigert Flüchtlingen ohne Dokumente oft die Arbeitsgenehmigung  ■ Von Heike Dierbach

Im Dezember 2000 titelten die Presseagenturen: „Arbeitsverbot für Flüchtlinge fällt.“ Die Bundesregierung hatte beschlossen: Wer länger als ein Jahr hier ist, soll arbeiten dürfen. In der Praxis, sagen Hilfsorganisationen, hat sich aber in Hamburg bis heute nicht viel geändert: Die Behörde verweigert weiterhin vielen geduldeten Flüchtlingen die Arbeitsgenehmigung, weil „aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können“.

Betroffen sind vor allem Menschen aus Afrika oder Armenien, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber nicht abgeschoben werden können, weil sie keinen Pass haben. Daran, so die häufige Argumentation der Ausländerbehörde, ist der Flüchtling ja selbst schuld – deshalb könne ihm keine Arbeitsgenehmigung erteilt werden. In der Antwort auf eine Anfrage der Regenbogen-Abgeordneten Susanne Uhl heißt es zwar, man gehe nicht regelhaft davon aus, dass jemand ohne Pass seine Identität verschleiern will. Praktisch wissen aber die Beratungsstellen Woge und Fluchtpunkt von bis zu fünf Ablehnungen pro Woche – und nur ganz wenigen erteilten Arbeitsgenehmigungen. Die Behörde verfügt nach eigener Angabe über gar keine statistischen Daten.

Für die meisten Flüchtlinge, so Anne Harms von Fluchtpunkt, wäre es viel zu gefährlich, mit ihrem eigenen Pass auszureisen oder ihn auf der Flucht auch nur bei sich zu haben. Später verweigern die Behörden des Heimatlandes aus vielerlei Gründen einen neuen Pass: Weil der Flüchtling seine Staatsangehörigkeit nicht beweisen kann, eine Ausstellung die Botschaft Geld kostet oder auch aus innenpolitischen Gründen. Deshalb, so Harms, hätten Flüchtlinge in Hamburg auch oft Erfolg, wenn sie eine Arbeitsgenehmigung einklagen – „die Ablehnungen beruhen nur darauf, dass die Behörde die rechtlichen Grundlagen in ihrem Interesse interpretiert“.

Dass echte Dokumente auf der Flucht gefährlich werden können, wusste schon Willy Brandt: Als er während der Nazi-Diktatur im norwegischen Exil leben musste, vernichtete er aus Sicherheitsgründen seinen deutschen Pass.

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