: Gold ist Gold, egal woher
aus New York EVA SCHWEITZER
Gold und Wertpapiere, Kunstwerke und Geld: In den USA lagern noch heute Milliardenwerte, die den ermordeten europäischen Juden gehört haben. Eine vom Kongress beauftragte „Presidential Advisory Commission“, die sich damit befasste, hat nun in Washington ihren Bericht vorgestellt – praktisch unbeachtet von den Medien. Die Kommission unter dem Vorsitz von Edgar Bronfman, dem Vorsitzenden des World Jewish Congress (WJC), hatte nach Konten auf US-Banken gesucht, nach von US-Soldaten gestohlenen Kunstwerken, nach Raubgold (Gold von Nationalbanken der von Deutschland überfallenen Länder bis hin zu Zahnfüllungen von KZ-Insassen) und nach Geld von Holocaust- Opfern, das in den USA beschlagnahmt worden war.
Das Fazit ist wenig schmeichelhaft für die USA: Statt den Holocaust-Opfern ihr Geld zurückzugeben, seien damit US-Firmen kompensiert worden, deren deutsche Töchter Kriegsschäden erlitten hatten. Die USA hätten darin versagt, Opfern zu helfen, wichtige Unterlagen seien vernichtet worden. Auch hätten US-Soldaten KZ-Überlebende misshandelt und in den Lagern hinter Stacheldraht festgehalten. „Es sieht so aus, als ob wir die Juden so behandeln wie die Nazis, nur dass wir sie nicht ausrotten“, zitiert der Bericht Earl Harrison, den damaligen Commissioner for Immigration, der im Sommer 1945 Deutschland besuchte.
Warum haben sich die USA erst so spät damit befasst? „Mir wäre es auch lieber gewesen, das wäre fünfzig Jahre eher geschehen“, sagt Elan Steinberg, Sprecher des WJC. „Aber die Probleme in den USA sind eben nicht so groß wie in Europa.“ Das Wichtigste sei, dass die USA nun die Wahrheit ans Licht gebracht hätten. Und: Es habe vor allem „Irrtümer und Unsensibilitäten“ gegeben. „Aber insgesamt stehen wir gut da.“ Druck auf die US-Regierung oder auf Banken auszuüben, dass tatsächlich bezahlt wird, hält Steinberg für unnötig. Es gebe ja Vereinbarungen für eine freiwillige Rückgabe.
Raubgold in US-Tresoren
Aber nicht da, wo es Geld kostet. Beispiel Raubgold. Dem Bericht zufolge lagert Raubgold auch in den Tresoren der Federal Reserve Bank. Hintergrund: Die USA hatten ab 1934 systematisch Gold aufgekauft. Bis 1945 flossen 16 Milliarden US-Dollar an ausländischem Gold in die USA, davon 753 Millionen aus Deutschland, Italien und Japan – dies ist, wie alle folgenden Zahlen, der damalige Wert, heute ist es mehr als das Zehnfache.
Den US-Behörden war klar, aus welchen Quellen das Gold der Achsenmächte stammte. Denn bereits 1940, als die Wehrmacht Frankreich, Belgien und Holland besetzt hatte, versuchte die britische Botschaft das US-Finanzministerium dazu zu bewegen, kein Gold aus Deutschland mehr zu kaufen; es sei vermutlich geplündert. Aber Henry Dexter White, Chef der Division of Monetary Research, wehrte sich wiederholt gegen jedes Importverbot. Wenn die USA Gold als internationales Zahlungsmittel nutzen wollten, so White, müssten sie alles Gold akzeptieren, ohne nach der Herkunft zu fragen. Die USA haben laut Bericht sogar nach dem Krieg Barren gekauft, unter denen sie Raubgold vermuten mussten.
Zweites Beispiel: Vermögen in den USA. Bereits während des Krieges wurde Geld und Grundbesitz von in den USA lebenden „enemy aliens“ (Ausländer aus Feindesland) eingefroren. Das betraf auch, wie Earl Harrison damals beklagte, „Personen, die gegen Hitler gekämpft haben oder in Konzentrationslagern waren“.
Nach 1945 wurde das Vermögen von Deutschen, Japanern, Bulgaren, Rumänen, Ungarn und Italienern in den USA beschlagnahmt: allein von deutschen Privatleuten 188 Millionen US-Dollar. Wobei auch hier kein Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden gemacht wurde. Das betraf Konten, die Wohlhabende im Ausland angelegt hatten, aber auch von Immigranten und Flüchtlingen ohne US-Pass. Das Geld wurde in einen „War Claims Fund“ eingespeist, aus dem Kriegsschäden deutscher Töchter von US-Firmen bezahlt wurden. Darunter waren auch Ford und General Motors, deren Ableger Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. „So wurden US-Forderungen teilweise mit deutschen Geldern beglichen, die aus Vermögen von Opfern stammten“, heißt es in dem Bericht.
Erst 1946 beschlossen die USA, Konten von NS-Opfern möglichst nicht mehr anzutasten. Solche Gelder wurden nun sogar zurückgegeben, allerdings nur auf Antrag, und der musste bis 1955 gestellt werden. Jedoch sperrten sich sowohl der War Claims Fund als auch das dafür zuständige Office for Alien Property prinzipiell gegen Rückzahlungen. 1953 stellte der US-Senat fest, dass das Office „ineffizient und säumig“ arbeite und über drei Jahre pro Fall brauche.
Keine Rückgabepflicht
Drittes Beispiel: Konten, die europäische Juden in den USA angelegt hatten, während sie auf ein Visum hofften. Der Volcker Commission zufolge, die von 1997 bis 1999 nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken gesucht hat, haben europäische Juden etwa drei Milliarden US-Dollar ins Ausland retten können. Davon ist, sehr grob geschätzt, eine Milliarde Dollar in die USA gegangen, insbesondere aus Frankreich, Holland und Polen. Heute wären das zehn Milliarden. Da aber die USA nur wenige Flüchtlinge aufgenommen hatten, ging ein Teil dieser Gelder verloren.
Seymour Rubin, in den Fünfzigerjahren Mitarbeiter im US-Außenministerium, hatte damals versucht, einiges davon zu retten, aber mit wenig Erfolg. Der Kongress bewilligte 1963 nur die Auszahlung von 500.000 Dollar. Dies sei zu wenig gewesen, räumt die Kommission heute ein. Das Geld ging zudem nicht an die Erben der Besitzer, sondern an eine jüdische Hilfsorganisation, die das meiste darauf verwandte, Wohnungen für Holocaust-Überlebende in New York zu bauen.
Der Bericht empfiehlt nun, dass Banken freiwillig nach nachrichtenlosen Konten suchen. Ob dort aber noch Geld zu finden ist, ist fraglich. US-Banken sind verpflichtet, solche Konten nach fünf Jahren an den Staat abzugeben. Aber dort hat die Kommission nicht gesucht. Seymour Rubin ist enttäuscht. „Die Kommission ist um die ganze Welt gereist, hat Unkosten gemacht, aber wozu?“, fragt er. „Es ist völlig klar, dass die USA Geld von Holocaust-Opfern behalten haben. Aber weder die Regierung noch die Banken sind dazu verpflichtet worden, es zurückzugeben.“
Kriegsbeute in die USA
Viertes Beispiel: Beschlagnahmungen in Europa. Allein in Deutschland hat die US-Armee bis 1948 Kunst im Wert von rund fünf Milliarden US-Dollar sichergestellt, dazu Gold, Schmuck und hunderte von Millionen US-Dollar. Vieles davon hatte die SS zuvor Holocaust-Opfern geraubt und in Minen oder Bergwerken versteckt. Ein Teil davon wurde ganz offiziell als Kriegsbeute in die USA geschafft. Anderes wurde von Soldaten geplündert, da die Armee die Lagerstätten oft schlecht gesichert hatte. „Jede Armee der Welt plündert, das ist nicht zu verhindern“, sagt WJC- Sprecher Elan Steinberg dazu. Einige Wertgegenstände haben die USA später zurückgegeben, aber nicht an die Besitzer, sondern an deutsche Behörden, wobei es bei der Rückgabe ohnehin selten eine Rolle gespielt hat, ob das Gut Nazis oder Nazi-Opfern gehört hatte.
Nun soll das US-Verteidigungsministerium unter Armee-Veteranen dafür werben, geplünderte Kunst zurückzugeben. Von offizieller Seite wurden bislang elf Gemälde zurückgegeben, die in der National Gallery of Art in Washington hingen. Des Weiteren hat die Kommission in der Library of Congress 2.600 Bücher aus jüdischen Besitz gefunden, wobei nur 5 Prozent des Bestandes untersucht wurden.
Ob weitere Konsequenzen aus dem Bericht gezogen werden, ist unklar. „Die knappe bemessene Zeit und mangelnde Ressourcen haben weitere Untersuchungen nicht gestattet, obwohl dies für den Auftrag wichtig gewesen wäre“, so die Autoren. Nach Vorschlag des Kommission soll nun eine Stiftung gegründet werden, die in den nächsten zehn Jahren weiter forscht. Aber möglicherweise dient der Bericht gar nicht dazu, jüdisches Eigentum in den USA zurückzuerstatten. Einer der Schlüsse, die die Kommission gezogen hat, ist: Die USA sollen ihre Führungsrolle nutzen, um die Internationale Gemeinschaft zu weiteren Rückgaben zu drängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen