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koalitionskriseAm liebsten bis Herbst 2002

Wer als Erster nachgibt, hat verloren. Seit die SPD in der Landowsky-Affäre offen mit dem Koalitionsbruch droht, kommt das Regierungsbündnis aus der Krise nicht mehr heraus, ohne dass einer das Gesicht verliert. Zieht die CDU, deren Landesvorstand sich morgen Früh zu einer Krisensitzung trifft, ihren Fraktionschef doch noch zurück – dann sieht es so aus, als lasse sie sich von der SPD erpressen. Bleibt Landowsky aber noch längere Zeit im Amt, dann kommen die Sozialdemokraten um einen Ausstieg aus der Koalition kaum noch herum – sonst steht sie vor der Union wie vor der Öffentlichkeit als zahnloser Tiger da.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Da rasen zwei Züge aufeinander zu – ohne dass der Zeitpunkt der drohenden Kollision und die Länge des Bremswegs genau zu bestimmen wären. Muss Landowsky vor dem SPD-Parteitag am 7. April die Segel streichen? Oder reicht es noch in den Monaten danach, wenn – worauf die SPD-Strategen wohl spekulieren – auch die CDU einsehen muss, dass ihr in den anstehenden Haushaltsberatungen ein Politiker kaum glaubhaft voranschreiten kann, der das größte Finanzloch selbst verursacht hat?

Bis zum Jahr 2002 jedenfalls werden die Akteure die Krise schwerlich in der Schwebe halten können – auch wenn das Landowsky wie der SPD am liebsten wäre. Würde am Tag der nächsten Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres auch in Berlin abgestimmt, dann könnten die Berliner Sozialdemokraten vom Schröder-Effekt profitieren. Weil Landowsky das weiß und seinen potenziellen Nachfolgern eine wirksame Gegenstrategie nicht zutraut, bliebe auch er selbst am liebsten bis dahin im Amt.

Ob er das durchhalten kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Mit der kuriosen Ankündigung eines Rücktritts für nächstes Jahr hat sich Landowsky selbst zur „lame duck“ gemacht, dessen Autorität auch in der eigenen Partei rapide schwindet – auch wenn ihn die Drohgebärde der SPD kurzzeitig stabilisiert hat.

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