Chaotisch und klitzeklein

■ Professor gründet eine Firma, die Erkenntnisse aus der chemischen Chaosforschung vermarktet – zum Beispiel für die umweltfreundlichen Brennstoffzellen-Automobile

DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp hat die Marschroute vorgegeben: Bis 2004 will er umweltfreundliche Brennstoffzellen-Autos auf deutsche Straßen bringen – in Serie. Auch die Konkurrenz hat Pläne für Elektroautos, die ihren Strom durch die Verbrennung von Wasserstoff erzeugen. Die Zellen, die seit Jahren als Hoffnungsträger durch Ökologen-Köpfe geistern, gibt es zwar schon, aber sie haben ein Problem: den Brennstoff.

Die Brennstoffzelle funktioniert mit verdichtetem Wasserstoff, aber der ist in Verbindung mit Luft hochexplosiv und damit bei Unfällen sehr gefährlich. Deshalb gilt Methanol als effizientester Wasserstoff-Lieferant. Allerdings entsteht bei der Produktion des Wasserstoffs auch giftiges Kohlenmonoxid. Und da wird's schwierig. Gelangt das Gas in die Brennstoffzelle, verkürzt sich deren Lebensdauer drastisch. Und wer wollte schon an jeder Tankstelle eine neue kaufen?

Die Lösung ist eine andere: Aus Kohlenmonoxid muss Kohlendioxid werden, das dann die Atmosphäre entweichen darf – in Mengen, die gegen die Benzinverbrennung nachgerade homöopathisch wirken. „Aber dafür brauchen Sie eine kleine Chemiefabrik an Bord“, sagt Peter Jörg Plath, Chemieprofessor an der Uni Bremen. Eine ziemlich kleine. Aber in Plaths Kopf gibt es sie schon. Im Labor hat der Pionier der „chemischen Chaosforschung“ bereits nachgewiesen, dass so etwas mit „selbstorganisierenden Systemen“ gehen kann – mehrere Kleinsteinheiten, die sich ohne aufwändige Steuerungstechnik selbst organiseren. Den Juroren des Existenzgründerwettbewerbs Weser-Ems war das immerhin 5.000 Mark wert.

So weit wäre es nicht ohne Magnus Buhlert gekommen. Der promovierte Produktionstechniker ist für die technische Umsetzung von Plaths Ideen zuständig. Er hat die Prototypen für den Mini-Reaktor gebaut, der das Methanol aufspaltet. Dabei hat er elektrochemische Technik eingesetzt: Mit Strom werden feinste Kanäle in Stahlplatten getrieben. Auch die Entwicklung zur Serienreife treibt der 34-jährige Buhlert voran. Aber dafür wurde der universitäre Rahmen zu eng. Die beiden Wissenschaftler haben ihr Projekt vor ein paar Tagen aus der Uni ausgegründet. Jetzt betreibt die MIR-Chem GmbH die Entwicklung des Produkts voran und wird es irgendwann auch vermarkten. Kapital bekammen die Wissenschaftler dafür von K-Projekt und der Nordwest Industrie-Holding, hinter der unter anderem der Bremer Bauunternehmer Kurt Zech steht. Auch um die Geschäftsführung des neuen Unternehmens kümmern sich die Geldgeber.

Mit der Universität bleibt die Firma in Person der Gründer verbunden: Sie werden weiterhin dem Lehrkörper angehören. Für die Forschungsleistung, die das neue Unternehmen von der Universität einkauft, fließen „Spenden“ zurück – zweckgebunden für die weitere Forschung zum Thema. Für Plath ist das ein Zukunftsmodell: „Moderne Forschung können Sie nicht mehr nur aus öffentlichen Mitteln finanzieren.“ Wenn sein Projekt Wirklichkeit werden soll, muss er zudem Partner aus der Autoindustrie finden. Aber da ist er zuversichtlich: „Die Hersteller haben ehrgeizige Zeitpläne. Da kommen wir mit unserer Technik gerade recht.“

In die Öko-Ecke will Plath sich übrigens nicht stellen lassen: „Ich würde mich schämen, wenn mich nur die Sorge um die Umwelt antreiben würde.“ Wirtschaftliche Machbarkeit und Nachfrage waren die Kriterien für den Marktgang. Öko-Effekte sind ein willkommener Nebeneffekt. Schließlich hat die MIR-Chem auch noch andere Projekte. Aber wenn das Gespräch darauf kommt, werden Plath und Buhlert ganz geheimnisvoll. Patentschutz. Nur, dass alles aus der Kombination von Chaosforschung und Chemie entspringt und klitzeklein ist, verrät der Professor. Und dass man damit „eigentlich alle“ Stoffe trennen kann. Wofür man das braucht? Ein bisschen Phantasie . . . Jan Kahlcke