markennamen, stoffbeutel etc.: Wie man mit dem Aufdruck „Futterkörbchen, Heimtierbedarf Bergfelde“ die Großstadt repräsentiert
Im Namen der Logos
Manchmal komme ich mir ein bisschen blöd vor, wenn ich mit meinem Stoffbeutel unterwegs bin. Grad in Berlin! Man will ja seine Stadt auch ein bisschen repräsentieren. Wenn ich mit meinem Beutel durch Mitte laufe, zeigen die Touristen aus der Provinz mit dem Finger auf mich und raunen sich enttäuscht zu: „Is ja wie zu Hause!“ So macht man das ganze Weltstadt-Berlin-Flair kaputt.
Könnte wenigstens „Puma“ oder „adidas“ draufstehen. Aber: „Futterkörbchen, Heimtierbedarf Bergfelde“ steht auf dem Beutel drauf.
Das ist wohl keine so bekannte Marke. Wahrscheinlich überhaupt keine Marke, sondern nur der Name von so einem Heimtierbedarfsladen in Bergfelde. Aber das stört mich nur manchmal. Meistens bin ich stolz auf meinen schon ein wenig fleckigen Beutel und pfeife auf die Touristen. Locker schlinge ich ihn ums Handgelenk und gehe promenieren. Extra! Schön durchs Scheunenviertel, dann zum Alexanderplatz, Kurfürstendamm nehm ich auch noch mit. Hauptsache auffallen!
Die Touristen gucken. Sie bilden sich was ein auf ihre dünnstoffigen Eastpak-Rucksäcke, in die sie gar nichts reinpacken können, weil sie sonst kaputtgehen. Alles müssen sie in ihre vieltaschigen Hosen stopfen, und die Taschen beulen sich total aus, und die Hose hängt in den Kniekehlen, weil sie so schwer ist. Das sieht blöd aus, und auch der leere 100-Mark-Rucksack ändert nichts daran.
Mein Beutel hat nichts gekostet. Keine Ahnung, auf welch verschlungenen Wegen er zu mir kam. Durch wie viele Hände ist er wohl gegangen? Was mag der erste Besitzer darin transportiert haben, als er den Heimtierbedarf Bergfelde wieder verließ? Einen kleinen Wellensittich vielleicht? Warum nicht?
In einem Rucksack würde so ein Wellensittich ersticken. Aber daran verschwenden die Rucksacktouristen überhaupt keinen Gedanken. So was ist ihnen völlig egal, da kann man noch so lange an ihren Verstand appellieren. Sie wollen cool sein, sie wollen was von Berlin sehen, kein toter Wellensittich kann sie aufhalten.
Ja, lacht doch über meinen Beutel, der ist vielleicht uncool, aber wenigstens sind keine toten Tiere drin! So was kann meine Liebe zu dem alten Stoffbeutel nur erhärten, und mit einer „Jetzt erst recht!“-Stimmung trage ich ihn zu jeder freien Minute spazieren. Wenn die Sonne scheint und meine Stimmung ausgelassen ist, dann schlenkere ich ihn ein bisschen hin und her. Manchmal lasse ich ihn sogar schnell über meinem Kopf kreisen, ohne dass was rausfällt, das macht wohl die Zentrifugalkraft.
Ein bisschen verrückt, der Kerl, denken manche Touristen, wenn sie mich so beutelschwingend auf der Straße sehen. „Bestimmt Künstler!“, vermuten sie, „das gibt’s bei uns nich, is eben Großstadt, total verrückt!“ Sie holen Fotoapparate aus den Hosentaschen und knipsen.
Eben haben sie noch über meinen uncoolen Beutel gelacht, jetzt verehren sie ihn als schrulliges Künstlerutensil. Da kann man nichts machen. So sind sie eben, die Touristen.
ROBERT NAUMANN
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