: „Habe keinen Stallgeruch“
Sylvia Schenk ist die erste Frau im Präsidentenamt beim Bund Deutscher Radfahrer. Diegelernte Juristin aus Frankfurt am Main will auch beim Anti-Doping-Kampf neue Akzente setzen
Interview SEBASTIAN MOLL
taz: Fahren Sie Rad, Frau Schenk?
Sylvia Schenk: Früher als Richterin bin ich im Sommer täglich sechs Kilometer zur Arbeit und wieder nach Hause geradelt. Seit ich das Amt bei der Stadt Frankfurt habe, sind es fünfzehn, das schaffe ich leider nur noch selten.
Seitdem Ihre Kandidatur für das Amt der BDR-Präsidentin im vergangenen Juni feststand, haben Sie viele Radsportveranstaltungen besucht. Wie ist man Ihnen da begegnet?
Mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis. Einerseits verständliche Skepsis, weil ich nicht vom Radsport komme und keinen Stallgeruch habe, andererseits jedoch, weil ich eine Frau bin. Ich glaube aber, dass es mir gelungen ist, in Gesprächen die Skepsis abzumildern. Die Leute haben gemerkt, dass ich ein Gespür für die Themen und Probleme des Radsports habe.
Welchen Reiz wirkt Ihr neues Amt auf Sie aus?
Mir gefällt das Körperliche, das ich als Ausdauersportlerin gut nachvollziehen kann, und gleichzeitig die taktische Finesse, vor allem im Straßensport. Zum anderen finde ich, dass der Radsport alle wichtigen Themen des Sports insgesamt in sich vereinigt. Doping zum Beispiel, aber auch andere zentrale Themen wie Umwelt oder Verkehr. Und im Bereich Hallenradsport, Frauenradsport und Breitensport gibt es auch noch viel zu tun.
Wo sehen Sie die Rolle des BDR im Wettkampfsport?
Wir haben im Radsport eine besondere Situation dadurch, dass wir einen so ausgeprägten Profibereich haben. In der Leichtathletik ist einer, der gut ist und Geld verdient, auch in der Nationalmannschaft, die Ziele des Verbandes decken sich dort in vielen Punkten mit denen der Athleten. Im Radsport ist das nicht zwingend so. Ich denke, dass sowohl wir als Verband als auch unsere Bundestrainer da weitgehend koordinative Aufgaben haben. Olympia in Sydney hat gezeigt, dass unser Konzept erfolgreich ist. Die Bundestrainer arbeiten eng mit den gewachsenen Stützpunkten und Heimtrainern zusammen. Gleichzeitig müssen Sie jedoch auch eng mit den Sportlichen Leitern der Profiteams zusammenarbeiten, wo noch einmal ganz andere Interessen eine Rolle spielen.
Der BDR war neben den Kanuten der erfolgreichste Verband in Sydney. Die meisten Medaillengewinner kamen aus dem Fördersystem der DDR oder den Nachfolgeinstitutionen in den neuen Bundesländern. Sind diese Einrichtungen ein Modell für den gesamten Radsport oder gar für den Sport insgesamt?
Da kann man nicht verallgemeinern. Wir fördern gewachsene und bewährte Strukturen – und dazu gehören sicher auch die Schulen in Berlin, Cottbus und Frankfurt (Oder). Ich finde auch, dass wir diese Einrichtungen nicht einseitig durch die Westbrille sehen und pauschal verteufeln dürfen, wie das seit der Wiedervereinigung immer wieder geschieht. Wir müssen andererseits aber auch aufpassen, dass dort Fehler, die in der DDR gemacht wurden, nicht weitergemacht werden.
Es werden immer mehr Stimmen laut, die beklagen, das Team Telekom sei zu übermächtig und verhindere eine gesunde Konkurrenz.
Der Radsport in Deutschland stünde nicht da, wo er steht, wenn es Telekom nicht gäbe. Auch die anderen Profimannschaften wären ohne Telekom nicht das, was sie sind. Mit dem „Team Coast“ gibt es zudem jetzt ja einen Konkurrenten. Und in den GSII-Mannschaften wird auch gute Arbeit geleistet.
Sie haben angekündigt, den Frauen-Radsport speziell fördern zu wollen.
Es ist nach wie vor schwierig, junge Mädchen zum Radsport zu bringen. Sie wachsen oft behütet auf, und die Eltern haben Ängste, sie mit einem Fahrrad in den Verkehr zu schicken. Da gilt es, Ängste abzubauen und im Sektor Verkehrspolitik aktiv zu werden. Zum anderen fehlt Radsportlerinnen die Perspektive. Wir haben nur eine Profimannschaft in Deutschland – und die Fahrerinnengehälter liegen dort weit unter denen der Männer. Dieser ganze Bereich muss ausgeweitet werden. Auf jeden Fall können wir schon jetzt über Hanka Kupfernagel als Vorbild und Zugpferd sehr froh sein. Sie ist nicht nur erfolgreich, sondern hat auch noch eine sehr positive Ausstrahlung. Leider ist es ja noch immer so, dass die Ausstrahlung und das Aussehen bei Frauen eine sehr wichtige Rolle spielt.
Wo können Sie als Juristin beim Thema Doping neue Akzente setzen?
Das ist für mich eines der wichtigsten Themen überhaupt. Die Sportler nutzen mittlerweile bis zum Letzten ihre Rechtsmittel aus. Der Leidtragende ist, wie wir jetzt erleben müssen, der Sport. Bis ein Dieter Baumann vielleicht irgendwann einmal endgültig gesperrt wird, hat der Deutsche Leichtathletk-Verband einen finanziellen und einen Imageschaden genommen, der nicht mehr reparabel ist. Es wird eine meiner ersten Amtshandlungen sein, die sportjuristischen Strukturen eingehend zu prüfen und dahin zu wirken, das Risiko von solchen Katastrophen zu minimieren.
Kann ein Verband allein überhaupt noch etwas ausrichten?
Nein, die Verbände sind juristisch und vor allem finanziell überfordert. Wir müssen im Deutschen Sportbund und im Nationalen Olympischen Komitee zusammenarbeiten und unsere Anstrengungen koordinieren. Und wir brauchen die Hilfe der neu geschaffenen Nationalen Doping Agentur Nada.
Unternimmt der BDR genug gegen Doping?
Wir tun schon viel, aber uns sind da finanziell sehr enge Grenzen gesteckt. Wir können das Kontrollsystem nicht mehr beliebig ausweiten – und für Forschung haben wir kein Geld. Deshalb liegt mein Hauptaugenmerk auf der Überpüfung der juristischen Strukturen, der Verfahrensprobleme.
Würde es helfen, wenn es in Deutschland, wie in Italien, einen Straftatbestand des Sportbetrugs gäbe?
Für mich steht die Autonomie des Sport immer noch an erster Stelle, und ich hoffe, dass wir das Problem innerhalb der Sportgerichtsbarkeit bewältigen können. Ich bin noch nicht so weit, mehr Staat zu fordern.
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