: Neuer Ariel zeigt den alten Pferdefuß
Israels Premierminister startete vor zwei Monaten mit Friedens-Image, doch im Handeln blieb er Hardliner
JERUSALEM taz ■ Als Ariel Scharon vor zwei Monaten sein Amt antrat, ritt er auf einer Woge nie gekannter Popularität. Optimistisch war von einem „neuen Scharon“ die Rede, einem „gereiften, gemäßigten Politiker“, dem letzten Hoffnungsträger für Frieden in Sicherheit. Seine Wahlkampfstrategen hatten den Likud-Kandidaten in Fernsehspots mit Vorliebe durch Weizenfelder schreiten und Babys streicheln lassen. Von entsprechenden Illusionen beseelt, eilte auch die Arbeitspartei in die Arme von Scharon. Vergessen war der „Hardliner“ und „Bulldozer“, der als Verteidigungsminister Israels 1982 den Libanonkrieg initiierte und zuschaute, als libanesische Falangisten in Sabra und Schatila hunderte von Palästinensern abschlachteten.
Vorige Woche trat der „alte Scharon“ erneut zutage. Er legte das großväterliche Image ab und hinterließ seine altbekannte Handschrift in Gaza: „Sicherheitsstreifen“ durch Ansiedlungen und Orangenhaine, um Puffer gegen Gewehr-und Granatattacken zu schaffen, wie Anfang der Siebzigerjahre. Die Armee kam aus den autonomen Zonen im Gaza-Streifen hervor, wo sie doch länger hätte bleiben sollen. Inzwischen gilt diese Offensive als Scharons erster grober Fehler. Die den Osloer Abkommen zuwiderlaufende Neubesetzung palästinensischer Gebiete wurde nicht nur von den USA scharf verurteilt, sondern auch von den nicht zu Rate gezogenen Ministern gerügt. Als Militäroperation war das Ganze ein Schlag ins Wasser. Kaum hatten die Israelis Gaza den Rücken gekehrt, setzten die Palästinenser den Granatbeschuss verstärkt fort.
Bei Interviews zeigt sich Scharon nun der Sache nach wieder ganz als der alte, wenn sich auch der Ton verändert hat: Als Regierungschef ist er durchaus um Israels internationales Image besorgt. Nicht mehr nur negativ beurteilt er die geheimen Kontakte zu Arafat. Damit unterhält Scharon ein würdevolleres Verhältnis zum palästinensischen Widersacher als Barak, trotz fortgesetzten Feuers. Doktrinär lehnt er jedoch die Evakuierung jeglicher Siedlungen kategorisch ab, selbst der isoliertesten Vorposten. Seiner Meinung nach haben sie samt und sonders strategische, zionistische und historische Bedeutung, ganz wie die besetzten Golan-Höhen. Deshalb auch ist er zu keinem Kompromiss über Jerusalem und keinem Rückzug aus dem Jordantal bereit. Sein aktuelles Angebot an die Palästinenser: 42 Prozent des Westjordanlandes als Territorium für einen zukünftigen Staat. „Die Zeit sei noch nicht reif für ein Ende des Konflikts“, meint der Ministerpräsident.
Ist Scharon ein Chamäleon ? Vielleicht. Es gäbe keinen „neuen Scharon“, meinte der 73-Jährige kürzlich über sich selbst. „Vorher bin ich zu Unrecht verteufelt worden, aber ich habe mich kein bisschen verändert. Ich war immer ein sensibler Mensch.“ Er verstehe sich als Gentleman, der ein herzliches Verhältnis zu Untergebenen unterhalte und auch heute noch aufstehe, wenn eine Frau den Raum betritt.
Als erfrischende Überraschung gilt Scharon nur bei der arabischen Minderheit Israels. Er war der erste, der einen Nichtjuden, den Drusen Salah Tarif, zum Minister ernannte. Umgehend traf er Führer arabischer Gemeinden und versprach, während seiner Amtszeit keine arabischen Böden zu enteignen. Er beriet sich über die Gründung eines urbanen Zentrums für junge Araber, die der erstickenden Atmosphäre ihrer Dörfer zu entfliehen trachten. Er bot den Beduinen Haushaltserhöhungen und Entwicklungspläne an. Er teilte die private Telefonnummer auf seiner Negev-Ranch mit der Einladung aus, bei Bedarf davon Gebrauch zu machen. Nun muss er seine Versprechen nur noch in die Tat umsetzen.
ANNE PONGER
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