: Hart am Rande des Wahns
■ Völkerkunde-Museum versucht's mal mit Hexenmagie
Me Ada D Omolu aus So Paulo ist keine Hexe. Aber sie kann nicht nur freundliche Hilfsgeister der Umbanda-Religion in Hamburger Museen rufen, sie weiß auch, mit welchen Ritualen man sich vor Hexen schützt. Donate Pahnke ist auch keine Hexe, doch die Religionswissenschaftlerin an der Uni Bremen und Diplom- Körpertherapeutin arbeitet als „Ritualfrau“. Das kommt einer Hexe schon nahe, besonders, wenn sie mit ihrer leuchtend rot gewandeten Gruppe ein dreistündiges Feuerritual zur Walpurgisnacht ausführt.
Die beiden Frauen verbindet eine Institution, die es neuerdings verstärkt schafft, Interesse zu wecken: Das Museum für Völkerkunde. Nun mag das Thema Hexen infolge literarischer und esoterischer Moden durchaus angesagt sein, doch dass die Hamburgerinnen (und eine männliche Minderheit) hundert Meter Schlange stehen, um an einer als Walpurgisnachtfeier gestalteten Ausstellungseröffnung teilzunehmen, verwundert dann doch. Sowohl dieser Abend als auch die Ausstellung Hexenwelten spielt mit der Grenze zwischen Kult und Aberglauben, zwischen ernsthafter Darstellung und ironischem Einverständnis, zwischen der Tragik gesicherter Geschichte und den schönen Versprechungen gegenwärtiger Magie.
Denn herabgestiegen aus den besserwisserischen Höhen wissenschaftlicher Kulturvergleiche, hat sich die Ethnologie inzwischen auch der aktuellen Vermittlung anderer Weltentwürfe innerhalb der eigenen Gesellschaft zugewandt. Und solch eine Haltung stellt nicht nur dar, sondern nimmt die Behauptungen anderer Kulturen und Sichtweisen durchaus ernst.
So wurde aus dem (1978 dem Museum von Johann Kruse geschenkten) „Archiv zur Bekämpfung des neuzeitlichen Hexenwahns“ inzwischen das „Johan-Kruse-Archiv zur Erforschung des neuzeitlichen Hexenglaubens“ – eine Akzentverschiebung. Die Ausstellung schlägt den Bogen vom Altar einer Hamburger „Neuen Hexe“ bis zu den Ritualtischen aus Brasilien, Korea oder Peru. Hajo Schiff
Hexenwelten – Der magische Reichtum des Museums, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64; bis 01.April 2002, Katalog 13,13 DM;
Im Rahmen des zweitägigen Europa- und Portugal-Festes an diesem Wochenende hält die Umbanda-Priesterin Me Ada D Omolu einen Vortrag über ihre Rituale (Heute, Samstag 19 Uhr). Sprechstunde des Hexenarchivs: jeden Donnerstag 16 - 19 Uhr
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