: „Ich bin gegen Zensur“
■ Sein neuester Film „Bamboozled/It's Showtime“ nimmt sich den Rassismus im Fernsehen vor. Ein Gespräch mit Spike Lee
taz hamburg: Warum sind Sie so wütend auf das Fernsehen?
Spike Lee: Ich weiß nicht, ob ich wütend bin. Ich beobachte, das ist eigentlich schon alles, und man braucht nicht viel Verstand, um auf regelmäßigen Rassismus im Fernsehen aufmerksam zu werden.
Trotzdem arbeiten Sie doch auch gelegentlich fürs Fernsehen.
Ich arbeite prinzipiell nicht für die Sorte Fernsehen, um die es in Bamboozled geht, Familienserien, Sitcoms – so etwas würde ich niemals drehen.
Wenn es eine Show wie die „Minstrel Show“ aus Bamboozled gäbe, in der grotesk dicklippige und mit Korkenruß angeschwärzte Schwarze faul und dumm im Hühnerstall liegen, wäre sie ein Erfolg?
Na klar, sie wäre ein Hit. Auch unter manchen Afroamerikanern.
Der Produzent der „Minstrel Show“, Pierre Delacroix, entwi-ckelt sein rassistisches Sendekonzept, das beleidigen, aber auch herausfordern will. Warum kann eine solche Provokation mit den schlimmsten Klischees nicht funktionieren und eine neue Rassismus-Debatte in Gang bringen?
Weil diese Show nicht ernsthaft auf Aufklärung hinaus wollte, weil sie menschenverachtend ist, weil sie ganz Amerika die Möglichkeit gibt, ohne jede Verantwortung und ohne jeden schlechten Beigeschmack über Afroamerikaner zu lachen. So etwas wird leicht zum Kult und ab da wird es wirklich gefährlich.
Die Kritik hat Ihnen vorgeworfen, Sie würden sich mit Bamboozleddas gleiche Dilemma einhandeln wie Delacroix, nämlich rassis-tische Bilder zu produzieren.
Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Es gab und gibt diskriminierende Repräsentation von Schwarzen, und die zeige ich. Ich bespiegele mit meinem Film, was dieser Produzent tut, warum und mit welchen Konsequenzen. Das sind einige Ebenen mehr als die, in denen Delacroix denkt. Ich bin auch dagegen, etwas zu verbieten, Filme zu schneiden, bis sie korrekt werden, Literatur auf den Index zu stellen, wenn in ihr das Wort „Nigger“ auftaucht. Wir müssen uns damit auseinandersetzen.
Sie zeigen Fundstücke, aus der Geschichte der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, von Judy Garland-Filmen bis zur Streetwear-Werbung von „Timmi Hillnigger“. Eine kleine Motivgeschichte des Rassismus. Sehen Sie sich als als Forscher afroamerikanischer Kultur und Archivar ihrer Zerstörung?
Nein. Ich bin Filmemacher. Fertig, aus. Aber einer, der um die Geschichte der Afroamerikaner weiß. Ich verstehe mich auch nicht als politischen Regisseur oder Erzieher.
Aber Sie arbeiten mit Stereotypen, mit einem für jeden verständlichen Konflikt und seinen Folgen. Das hat doch auch Lehrstückcharakter.
Wenn das so wäre, würde mein Film ja Gewalt als Ausweg empfehlen, weil diese rappende Medien-Guerilla am Ende zuschlägt. Ich zeige aber nur, seht her, das kann passieren. Es gibt diese Dummheit, die nur Quote und Masse kennt, und es gibt diese Gewalt, die keine Argumente mehr erreicht.
Glauben Sie, dass das Publikum heute leichter zu manipulieren ist als vor 50 Jahren?
Aber ja.
Warum?
Die Bildung wird immer schlechter. Das Freizeitverhalten besteht aus passivem Konsumieren. Und gerade das Fernsehen wird dann schnell zu einer Instanz, die alles dirigiert.
Inzwischen gibt es immerhin eine Hand voll afroamerikanischer Stars und einige Reminiszensen an Blaxploitation. Pam Grier wurde von Tarantino wieder vor die Kamera geholt, die Neuverfilmung von Shaft ...
Keine Frage, die Schwarzen werden sichtbarer, und das ist auch gut so. Aber bei Shaft fehlt mir doch was.
Was denn?
Ich liebe den Ur-Shaft. Aber den neuen hat man doch kastriert. Der alte Shaft war ein wirklich cooler Kerl, ein „Ladies-Man“. Charmant, souverän und spannend. Das vermisse ich an dem neuen, nichts gegen Samuel Jackson, aber im Vergleich zum ersten ist er seltsam unsexy und neutral. Und das finde ich, milde gesagt, sehr schade.
Interview: Birgit Glombitza
Der Film startet morgen im Zeise und im Abaton
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