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DIE EUROPÄISCHEN SOZIALDEMOKRATEN HATTEN SICH FAST NICHTS ZU SAGENKungeln statt Diskussion

Europas Konservative sind zu beneiden. Sie regieren in nur wenigen, eher kleinen EU-Staaten und können völlig losgelöst die Probleme Europas, ja der ganzen Welt diskutieren. Und wenn sie sich auf Parteitagen treffen, führen die Debatten der unterschiedlichen nationalen Gruppierungen zu ganz neuen Erkenntnissen. Über die Grenzen etwa, die der Globalisierung gesetzt werden müssten.

Europas Sozialdemokraten dagegen sind zu bedauern. Seit Jahren regieren sie in zehn von fünfzehn EU- Staaten und haben weder die sozialen Probleme deutlich verringern noch sich auf Initiativen gegen die Globalisierung einigen können. Und wenn sie sich bei Parteitagen treffen, haben sie sich fast nichts zu sagen. Denn jenseits aller „Genossen“schaft hält jeder doch sein Programm für das Beste. Unterschiede finden sich nicht in dem, was gesagt, sondern dort, wo etwas nicht gesagt wird. Gute Diplomaten sind sie geworden; Debatten über den dritten Weg sind lange vorbei. Das Abschlussdokument der Rechten wurde Satz für Satz öffentlich diskutiert, das der Linken vorher zwischen den Regierungsparteien ausgekungelt.

Kanzler Schröder hat sich dafür ausgesprochen, die Rechte des EU-Parlaments deutlich auszuweiten. Doch wenn die EU mehr sein soll als die Summe ihrer Mitgliedsstaaten, müssen wirkliche europäische Parteien entstehen. EU-Parteien, die nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der nationalen Gruppierungen wiedergeben. Dieser sozialdemokratische Parteitag jedoch lässt das Gegenteil befürchten. Je wichtiger die europäischen Entscheidungen werden, umso mehr werden die EU-Parlamentarier gezwungen, die Interessen ihrer heimischen Parteien, ja ihrer Regierungen zu verfolgen. Und so kam die schärfste Kritik von Erweiterungskommissar Günter Verheugen. Momentan, so scheint es, ist die EU-Kommission am wenigsten nationalen Interessen unterworfen.

Nur etwas bekam Schröder gestern nicht in den Griff: Während er sich bisher dagegen sträubt, dass ein Konvent die künftige EU-Verfassung ausarbeitet, setzt sich die „Berliner Erklärung“ der SPE genau dafür ein. Dass diesen Widerspruch kein Delegierter öffentlich thematisierte, zeigt, was die Erklärung wert ist. SABINE HERRE

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