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die stimme der kritikBetr.: Luder in Berlin

Die Borer-Fieldings – ein Vorbild für viele Diplomaten

In Berlins Downing Street ist heute High-Afternoon. Denn dort wird ein neues Gebäude eingeweiht – mit einem veritablen Skandal. Nein, die Rede ist nicht vom Bundeskanzleramt. Vielmehr grenzt an das „Forum“, das Schröders Amtssitz gleich einem breiten Band mit den Bundestagsbüros verbindet, noch ein weiteres, kleineres Gebäude: die Botschaft der Confederatio Helvetica. Und die, die dort wohnen, wollen das Forum offenbar ganz alleine füllen.

Hausherr Thomas Borer gilt als Enfant terrible der internationalen Diplomatie. Mit seinem 43 Jahren hat er bereits einmal die Ehre der Schweiz gerettet – und wurde dafür mit dem prestigeträchtigen Job in Berlin belohnt. Vor kurzem posiert Botschaftergattin Shawne Fielding-Borer (31) für die Illustrierte Max als „Cowgirl von der Alm“. Die Homestory mit künstlerischem Touch, welche Shawne sexy aufgemacht in den Räumen der nun zu eröffnenden Botschaft zeigt, ist zwar weder aufreizend noch anrüchig. Trotzdem führte sie zu einer urhelvetischen Staatskrise.

Im Bundeshaus zu Bern rauchten seit Shawnes Auftritt die Köpfe. Manche forderten gar, ihren Gatten nach Manila strafzuversetzen. Max und Blick, das Alpenpendant zur Bild, lancierten derweil eine Unterschriftenaktion zu Borers Rettung. Shawne kroch dem schweizerischen Außenminister zu Kreuze, bot trotzig an, bei der Botschaftseröffnung nicht anwesend zu sein. Effekt: Der Minister bat das Luder flehentlich, auf jeden Fall teilzunehmen.

Ende gut – alles gut? Im Zuge der zunehmenden Reisediplomatie aller Außenminister hat sich der Aufgabenbereich aller Botschafter stark verändert. Weniger pompöse Verkörperung der Staatsmacht, mehr Imagepflege durch intensives „Networking“. Laut Brockhaus ist ein Luder ein „Aas, das an einem Luderplatz ausgelegt wird, um Raubwild anzulocken“. Es scheint, als ob das dem Raubwild schmeckt. Denn bei den Empfängen der Schweizer Botschaft gibt es immer unüblich wenig Absagen. In diesem Sinne kann die Borer-Fielding-Affäre nur als gezielter Medien- und PR-Auftritt verstanden werden.

Das macht Sinn – besonders, wenn man weiß, dass Shawn Marketing studiert hat. Mit ihrem neuesten Skandal haben die Borer-Fieldings sich endgültig als „Marke“ positioniert – und machen Schule. Selbst der Spiegel attestierte neulich, dass Angela Merkel seit ihrem Werbeauftritt für „Sixt“ vielleicht das Zeug zur Botschaftergattin hätte. Vielleicht. RALPH LENGLER

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