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Ein Grundgesetz für Kosovo

Die provisorische Selbstverwaltung in Kosovo hat jetzt endlich eine gesetzliche Grundlage. Doch weder Albaner noch Serben sind mit dem Ergebnis zufrieden. Am 17. November soll gewählt werden

aus Priština ERICH RATHFELDER

Für Hans Haekkerup, Chef der UN-Administration im Kosovo, ist der Abschluss der Verhandlungen über den „Konstitutiven Gesetzesrahmen für die provisorische Selbstverwaltung im Kosovo“ ein großer persönlicher Erfolg. Mit der Inkraftsetzung dieses Gesetzesrahmens wird die erste Etappe der Nachkriegszeit im Kosovo beendet.

In Zukunft wird Kosovo ein Parlament, einen Präsidenten, eine Regierung, unabhängige Gerichte und regionale Selbstverwaltungen erhalten. Am 17. November sollen Parlamentswahlen stattfinden. 100 Sitze werden in den freien Wahlen vergeben, 20 zusätzliche Sitze sind für die Minderheiten der Serben, Roma und Türken reserviert.

Der umständliche Titel der Verfassung, die keine sein soll, sondern nur ein „Konstitutiver Gesetzesrahmen“, deutet auf einen Kompromiss zwischen internationaler Gemeinschaft, den Kosovo-Albanern und der serbischen Führung in Belgrad hin. Hans Haekkerup hat die Quadratur des Kreises versucht. Die UN-Mission ist an die Resolution 1244 des Weltsicherheitsrats gebunden. Diese belässt das Kosovo zwar im serbischen Staat, hat es aber faktisch zum UN-Protektorat gemacht. Dennoch konnten die UN keiner Volksabstimmung zustimmen, die nur ein Ergebnis haben würde: ein eindeutiges Votum für die Unabhängigkeit durch die Kosovo-Albaner.

Die unterschiedlichen Interessen der Serben, Kosovo-Albaner und der internationalen Gemeinschaft waren also nicht vollständig unter einen Hut zu bringen. Bei der serbischen Minderheit ist nur die Gruppe um den orthodoxen Bischof Artemije bereit, auf der Grundlage des Gesetzesrahmens mitzuarbeiten. Der Gesetzesrahmen leite den Aufbau eines Staates ein, sagen dagegen die von den Sozialisten angeführten Kräfte in der serbisch kontrollierten Region Mitrovica. Sie wollen in den Selbstverwaltungsorganen nicht mitwirken und hoffen weiter, das Kosovo voll und ganz in den serbischen Staat zu reintegrieren.

Die albanischen Führer dagegen konnten vielen Bestimmungen zustimmen. Eigentlich strahlten sie alle, die auf dem Podium saßen, um die neue Verfassung zu kommentieren: Ibrahim Rugova, langjähriger Präsident der Kosovo-Albaner, Hashim Thaci, Chef der stärksten Fraktion der aufgelösten UÇK des Kosovo, und Ramush Harandinaj, ehemaliger Kommandeur einer UÇK-Einheit und jetzt moderater Politiker. Doch zeigen durften sie es nicht, denn an einem für die Albaner wichtigen Punkt waren die Verhandlungen gescheitert. Es wird in absehbarer Zukunft keine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit geben.

Ibrahim Rugova, der scharfe Kritik daran äußerte, monierte zudem, dass der künftige Präsident vom Parlament gewählt wird und es kein unabhängiges Verfassungsgericht geben wird. Beim höchsten Gericht hat auch künftig die UN das Sagen. Doch allein schon die Tatsache, dass Kosovo bald „ein Parlament, eine Regierung und legale Institutionen“ besitze, finde seine Unterstützung, sagte Rugova.

Damit sei der Weg für die Zukunft bereitetet, pflichtete ihm der ehemalige UÇK-Kommandeur Ramush Harandinaj bei. Er betonte den „provisorischen“ Charakter des Gesetzesrahmens und wies darauf hin, dass über den demokratischen Prozess das Ziel der Unabhängigkeit doch noch zu erreichen sei.

Allein Hashim Thaci kritisierte den Gesetzesrahmen und erklärte, er würde das Papier nicht unterzeichnen. Haekkerup warf er vor, dass das Dokument in Belgrad mit Präsident Koštunica abgestimmt worden sei. Er betonte aber, dass er und seine Partei im Rahmen der neuen Institutionen mitarbeiten würden. Da niemand aufgefordert war, das Papier zu unterschreiben, konnten seine Äußerungen auch als Wahlkampfauftakt gelten.

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