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Stiftungsinitiative in Aufruhr

Die Maximalforderungen der Gründerfirmen stoßen jetzt auch in den eigenen Reihen zunehmend auf Kritik. IG Metall fordert sofortige Entschädigung der Zwangsarbeiter

BERLIN taz ■ Die Firmen, die sich der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft angeschlossen haben, werden dieser Tage gleich zweimal um ihre Unterschrift gebeten. Heute stellt die IG Metall in Berlin einen Aufruf vor, in dem die sofortige Auszahlung der Entschädigungen an NS-Zwangsarbeiter gefordert wird. Der Appell, bereits vor zwei Wochen in der Verbandszeitschrift Metall abgedruckt, hatte damals kaum Beachtung gefunden.

Nun, mit der Abweisung der letzten großen Sammelklage in den USA, hat sich jedoch die politische Situation gewandelt. Selbst im Bundestag mehren sich Stimmen, die eine weitere Verzögerung der Zahlungen nicht mehr hinnehmen wollen. Und auch wenn die Gründerfirmen der Stiftungsinitiative lange Zeit den Eindruck eines monolithischen Blocks zu vermitteln suchten – die Zustimmung der anderen Mitglieder zu ihrer Verhandlungsstrategie bröckelt.

So hat etwa ein Kölner Unternehmer einen Rundruf gestartet, um die vielen kleinen und mittleren Betriebe zum Aufstand gegen die 16 Gründer zu bewegen. Denn sie sind es, so der Hauptvorwurf, die einer Entschädigung im Wege stehen.

Bereits Ende März hatten der Vorstandssprecher der BGAG Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften AG, Rolf-Jürgen Freyberg, öffentlich Kritik an der Stiftungsinitiative geübt. „Obwohl endlich die 5 Milliarden Mark erreicht sind, zögert die Stiftungsinitiative mit der Überweisung des Geldes.“ Eine Reaktion der Gescholtenen blieb aus.

Doch Freyberg lässt nicht locker. Er hat Stiftungssprecher Manfred Gentz einen Brief geschrieben – und die Satzung angefordert. Allein es gibt keine. Denn die 16 Gründer haben der Stiftungsinitiative im Februar 1999 keine Rechtsform gegeben. Mit gutem Grund, wie Lothar Evers vom Bundesverband Beratung und Information NS-Verfolgter in der Vergangenheit immer wieder kritisierte. Denn wenn es keine Verantwortlichen gibt, ist auch niemand haftbar zu machen. Genau darüber will Freyberg diskutieren.

Auch WDR-Intendant Fritz Pleitgen hatte am Freitag die unverzügliche Auszahlung gefordert. Die WDR-Tochter WWF GmbH hatte bereits im September 320.000 Mark aus Werbeumsätzen zugesagt. Viele Unternehmen hätten ihren Beitrag als eine selbstverständliche Verpflichtung bereits geleistet, so Pleitgen. Darunter auch solche, die es im Dritten Reich noch gar nicht gab und die sich deshalb nichts haben zuschulden kommen lassen. Die Gelder sollten nun nicht nutzlos in irgendeinem Tresor liegen, sondern den Zwangsarbeiter so schnell wie möglich zugute kommen – ein Seitenhieb auf die Gründerfirmen, die beim ständigen Beharren auf Rechtssicherheit vor allem die eigenen Interessen im Blick haben. Diese hatten stets die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ins Feld geführt, um für einen Beitritt zur Stiftungsinitiative zu werben. Tatsächlich existieren viele Firmen, die während der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigten, heute nicht mehr oder sind nach Fusionen und Verflechtungen nicht mehr zu identifizieren. Viele Opfer wissen nicht mehr, für wen sie einst schufteten.

Doch ob Daimler, Degussa oder Krupp – sie alle beschäftigten während der NS-Zeit Zwangsarbeiter und haben daher heute das Schreckgespenst Boykott besonders vor Augen. Dennoch glaubt Tatjana Groeteke, Geschäftsführerin des ebenfalls dem Fonds beigetretenen FC St. Pauli, wenn die anderen Firmen grünes Licht gäben, müsste auch die Stiftungsinitiative ihre Verweigerungshaltung aufgeben. Die interne Kritik teilt sie nicht. „Ich unterstelle der Stiftungsinitiative nicht, dass sie das Geld nicht auszahlen will.“ Dennoch: Den neuerlichen Aufruf der IG Metall will Groeteke auch dieses Mal wieder unterschreiben.

NICOLE MASCHLER

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