: Ein rechtsfreier Raum
Weil Diplomaten Immunität genießen, können ihre Angestellten nicht gegen sie klagen – nicht einmal wenn sie von ihnen geschlagen werden
von ANTJE LANG-LENDORFF
Das internationale Völkerrecht schützt Diplomaten vor Strafverfolgung, damit sie ungestört ihr Amt ausüben können. Angestellten der Botschaftsangehörigen aber fehlt jeder rechtliche Schutz gegenüber ihren Arbeitgebern, klagte gestern die Organisation Ban Ying, die in Berlin Frauen aus Südostasien unterstützt.
Exemplarisch schilderte sie den Fall der Ana R.: Die Filipina war im September nach Deutschland eingereist, um bei einer Angestellten der US-Botschaft in Berlin im Haushalt zu arbeiten. Damit begann ihr Albtraum. Für 500 Dollar im Monat putzte und kochte sie täglich 13 Stunden. Sie versorgte die zwei Adoptivkinder der Diplomatin, die drei Hunde und kümmerte sich um das Haus. Eine schmutzige Gabel, die ihre Arbeitgeberin im Januar in einer Schublade fand, wurde Ana zum Verhängnis. Die Diplomatin flippte aus, schüttelte und schlug sie. Als nach weiteren Streits Ende Februar die Diplomatin sie mit beiden Händen ohrfeigte, flüchtete Ana mit dem, was sie auf dem Leib trug, zu ihrer Schwester.
Ana erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Doch die Polizeibeamten sagten ihr gleich, dass sie die Diplomatin wegen ihrer Immunität nicht zwingen könnten zu erscheinen. Die stornierte inzwischen Anas Aufenthaltserlaubnis. Anfang Juni wird Ana daher Deutschland verlassen und auf die Philippinen zurückkehren.
Auch die von Ban Ying eingeschaltete Rechtsanwältin Maria Wilken bestätigt: Nach dem Völkerrecht können Diplomaten weder in ihrem Arbeits- noch im Privatbereich rechtlich von dem Gastland, in dem sie sich aufhalten, belangt werden. Da die Tat nicht in den USA stattgefunden habe, hätte auch eine Klage dort keinen Sinn, meint Wilken: „Die Privatwohnung von Diplomaten scheint tatsächlich ein rechtloser Raum zu sein.“
Die US-Botschaft wollte zu den Vorwürfen bisher keine Stellung beziehen. Auch das Auswärtige Amt zeigt sich bedeckt. Man werde mit Wilken Kontakt aufnehmen, um den Fall zu prüfen, sagte gestern ein Sprecher.
Ana ist bereits die fünfte Frau, die in den letzten Jahren Ban Ying um Hilfe bat und die bei Diplomaten beschäftigt war. Die Organisation führt das auf den Umzug der Botschaften nach Berlin zurück. Rund 11.000 Personen, die unter Immunität stehen, leben inzwischen in der Stadt. Dem Auswärtigen Amt seien dagegen bisher nur Probleme mit unbezahlten Mieten oder Verkehrsdelikten bekannt, so ein Sprecher. „Wir können bei Rechtswidrigkeiten zur Botschaft Kontakt aufnehmen und so Druck ausüben“, erklärt er die Möglichkeiten, die das Amt hat. Viel ist es nicht. Nach Angaben von Ban Ying hat Anas ehemalige Arbeitgeberin bereits eine neue Haushaltshilfe eingestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen